Donnerstag, 30. Oktober 2014

Welche bekannte Literaturfigur durchläuft deiner Meinung nach eine besonders negative Entwicklung?

Sicher gibt es so einige Protagonisten, die im Laufe einer Geschichte eine negative Entwicklung durchlaufen. Eventuell sind es öfter Neben- als Hauptfiguren, weil sich bei den zentralen Figuren eine positive Entwicklung einfach besser macht. Vielleicht gibt es aber auch solche und solche Werdegänge gleichermaßen. Egal. Hier soll es zunächst einmal um eine besonders negative Metamorphose einer Figur gehen.
Der Gymnasiallehrer Raat aus Heinrich Manns „Professor Unrat“ ist auch zu Beginn des Romans beileibe kein sympathischer Mensch. Er ist ein besonders strenger Lehrer, hat sich mit seinem Sohn überworfen und sieht die Schüler als seine Feinde an. Trotzdem hat er ein gewisses Ansehen und wird im Ort als Professor geschätzt und gefürchtet.
Durch den Kontakt mit der Tänzerin Rosa Fröhlich aus dem Vergnügungslokal „Der blaue Engel“ verändert sich Manns Protagonist total, dreht sich sozusagen um hundertachtzig Grad. Zunächst macht er sich wiederholt lächerlich, weil ihn die gute Dame nahezu mühelos dazu bringt, dass er immer wieder gegen seine hehren Prinzipien verstößt. Die Meinung der anderen ist ihm dabei auf einmal gar nicht mehr wichtig, wodurch ihm vielleicht ein wenig das Korrektiv fehlt.
Natürlich schmeichelt ihm das scheinbare Interesse der attraktiven Tänzerin, auf die auch seine Schüler ganz scharf sind. Doch übertreibt er es dabei so sehr, dass ihm immer weniger bewusst ist, wie sie ihn manipuliert. Seine negative Entwicklung ist also von außen herbeigeführt, was aber nichts daran ändert, dass er sie zulässt beziehungsweise forciert.
Das führt so weit, dass er aus dem Schuldienst entlassen wird, der eigentlich sein Leben ausgemacht hat. Er heiratet Rosa, die seinen finanziellen Ruin herbeiführt und ihn letztendlich vor allen unmöglich macht. Schließlich wird er aus Eifersucht straffällig und verhaftet. Tiefer kann ein ehemals geachteter Mann nicht sinken, oder?
Mein Kandidat für den Posten eines sich negativ entwickelnden Bücherhelden: Professor Raat. Und Deiner?

Dienstag, 7. Oktober 2014

Welche bekannten Literaturfiguren aus verschiedenen Büchern sollten sich deiner Meinung nach treffen und warum?

Das ist ja das Schöne an fiktionalen Figuren. Mit ihnen kann man Ereignisse durchspielen, die in der Realität nie möglich wären. Das kann besonders der Autor, aber das kann auch jeder Leser. Wir können, wie in diesem Blog, immer darüber nachdenken, was mit den Protagonisten passieren würde, wenn sie dies oder jenes nicht oder doch getan oder erlebt hätten.
Als ich anfing, mir über die oben gestellte Frage Gedanken zu machen, ging mir eine Idee nicht mehr aus dem Kopf: Was wäre gewesen, wenn sich Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf und Gustaves Flauberts Madame Bovary getroffen hätten? Zunächst habe ich den Gedanken wieder verworfen, weil er mir dann doch zu absurd erschien. Aber letztendlich dachte ich mir: Warum nicht einfach mal eine ziemlich abwegige Variante gedanklich durchspielen? Bei Romanfiguren geht das ja recht einfach.
Nehmen wir einmal an, Pippi Langstrumpf und Emma Bovary hätten sich tatsächlich getroffen und keine von beiden hätte sofort das Weite gesucht, weil ihr das Ganze zu blöd war. Nehmen wir einmal an, die beiden hätten ein längeres Gespräch geführt und sich auch zugehört.
Vermutlich hätte Flauberts Emma von ihrem eintönigen Leben erzählt, von ihrem langweiligen Mann und den Entbehrungen, die sie als unzumutbar empfand. Da Lindgrens Pippi weder gesellschaftliche Konventionen noch die üblichen Verhaltensweisen noch die Meinung der anderen interessiert, hätte sie ihr eventuell geraten, das zu ändern und einfach mal etwas Verrücktes zu machen.
Vielleicht hätte sie ihr vorgeschlagen, ganz spontan einen Ausflug zu machen, einfach ein Fest zu feiern, sich ganz ausgefallen zu kleiden oder etwas Neues zu erfinden. Vielleicht hätte sie ihr auch geraten, allein in eine andere Stadt zu ziehen oder mit einem Segelboot einfach los zu segeln.
Was Emma dazu gesagt hätte, kann ich auch nur vermuten. Eventuell hätte sie sie einfach sitzen lassen und wäre in ihre Depression zurückgekehrt. Vielleicht hätte sie sich aber auch anstecken lassen von der Begeisterung für das Alltägliche und das, was man daraus machen kann. Vielleicht hätte sie angefangen, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten sie hat und haben könnte. Und vielleicht hätte sie dann etwas geändert.
Natürlich hätte sie Pippi dafür rechtzeitig treffen müssen. Gegen Ende von Flauberts Roman wäre es vermutlich zu spät gewesen. Aber wenn es so in der Mitte passiert wäre, hätte es vielleicht geklappt. Und eventuell würde sie dann, rein fiktional natürlich, noch leben.  
Meine Kandidaten für die Posten der Bücherhelden, die sich treffen sollten: Pippi Langstrumpf und Emma Bovary. Und Deine?