Freitag, 24. Juli 2015

Aus dem Leben eines Schreibenichts (1)

Was passiert eigentlich in meiner fiktionalen Wohngemeinschaft, wenn ich mal nicht schreibe? Was machen meine Mitbewohner, die Romanfiguren, wenn gerade kein neues Werk in Arbeit ist? Schließlich hat man als Autor auch mal Phasen, in denen nichts geschaffen wird und sogar gar nichts geschaffen werden kann. Das könnte an einer Schreibblockade liegen oder auch nur an einem anderen Job. Die wenigsten Schriftsteller sind in der glücklichen Lage, vom Schreiben allein leben zu können.
Doch unsere Romanfiguren existieren weiter – in den Büchern, die wir verfasst haben und in unseren Köpfen und den Köpfen unserer Leser. Was also passiert mit ihnen, wenn wir nicht kreativ sind, wenn wir sozusagen eine literarische Schaffenspause einlegen? Zunächst einmal hängt die Antwort auf diese Frage nicht unwesentlich davon ab, was wir Autoren auf diesem Gebiet zulassen, also wieviel Raum wir unseren Figuren trotzdem geben.
Natürlich kommt es häufig vor, dass man von Lesern auf die eine oder andere Figur angesprochen wird. In diesem Moment meldet sich dieser Protagonist zu Wort, macht wieder auf sich aufmerksam. Dann ist es, als käme ein weit gereister Mitbewohner wieder aus dem Urlaub zurück. Manchmal bleibt er dann länger zu Hause, beschäftigt einen auch noch nach dem Gespräch für einige Zeit oder eben nicht.
Eine Romanfigur, die Protagonist mehrerer Bücher ist, wie zum Beispiel der Kommissar einer Krimireihe oder ähnliches, bringt sich sicher noch häufiger und auch ganz eigenständig in Erinnerung. Eine solche Figur meldet sich vermutlich auch ohne äußere Einwirkung zu Wort. Schließlich hat sie ein Anrecht darauf, in weiteren Werken agieren zu dürfen.
Unangenehm wird es dann, wenn einem die Romanfiguren so penetrant im Nacken sitzen, dass einem die eigene Schreibuntätigkeit immer wieder schmerzhaft bewusst wird. Dann werden die Geschöpfe sozusagen zum Über-Ich und verursachen im schlimmsten Fall schlechtes Gewissen. Was vielleicht ab und zu auch ganz hilfreich sein kann, weil man auch als Autor ab und zu einen kleinen Tritt in den Hintern gut brauchen kann. Und wenn die eigenen Protagonisten das dann übernehmen, umso besser…