Donnerstag, 12. April 2018

Von Smilla Jaspersen und dem Anderssein

Smilla Jaspersen, die Hauptfigur aus Peter Høegs Roman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, hat mich vor allem deshalb nachhaltig beeindruckt, weil sie so anders ist. Das kann unter Umständen mit ihrer halb-inuitischen Abstammung zu tun haben, weil sie dadurch nur sehr schwer mit der europäischen Kultur zurechtkommt.
Beim Lesen des Romans bekommt man schnell das Gefühl, dass die Gletscherforscherin Smilla nicht nur beruflich mit Kälte zu tun hat. Zerrissen zwischen ihrer grönländischen Herkunft und ihrem jetzigen Leben in Dänemark fristet sie ein ziemlich isoliertes Dasein in einem Kopenhagener Wohnblock. Nur zu dem Inuit-Jungen Jesaja, der zu Beginn des Romans ums Leben kommt, hat sie eine engere Beziehung.
Smilla besitzt eine scharfe, naturwissenschaftlich geschulte Kombinationsgabe und sagt von sich selbst, ihre Liebe zur Mathematik sei größer als die zu den Mitmenschen. Das erweckt einen eher kalten und gefühllosen Eindruck. Nichtsdestotrotz macht sie sich daran, Jesajas mysteriösen Tod, hinter dem sie einen Mord vermutet, aufzudecken, obwohl sie sich dabei immer wieder in Lebensgefahr begibt.
In der taz wurde Smilla einmal als „enorm sympathische, tieftraurige, zerrissene Kratzbürste von überlegenem Intellekt“ bezeichnet. Damit ist sie wohl wirklich anders als die meisten weiblichen Hauptfiguren und wahrscheinlich auch als ein Großteil ihrer Leser. Sie ist mutig, intelligent, zynisch und von den Vorzügen der materiellen westlichen Welt ziemlich unbeeindruckt.
Mit einem Wort: sie ist unangepasst. Sie hat ihren eigenen Kopf und lässt sich auch durch massiven Druck und Drohungen nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Und das macht sie gerade in der heutigen Zeit, wie ich finde, äußerst sympathisch und nachahmenswert.