Freitag, 4. Mai 2018

Von Brigitta Maroshely und der Emanzipation

Brigitta Maroshely, die Titelfigur aus Adalbert Stifters Erzählung „Brigitta“, ist vermutlich heutzutage eine eher weniger bekannte Literaturheldin. Dennoch ist sie ein besonderes Beispiel weiblicher Emanzipation, die Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Text erschien, sicher nicht selbstverständlich war. Aber genau deshalb hat sie es verdient, dass man sich ab und zu an sie erinnert.
Brigitta hat zu Beginn ihres Lebens sicher nicht die besten Voraussetzungen, da sie als Kind so hässlich ist, dass selbst ihre Mutter sich von ihr abwendet. Deshalb zieht sie sich meistens in ihr Zimmer zurück und wächst einsam und unverstanden auf. Trotzdem legt sie ein nicht geringes Maß an Selbstbewusstsein an den Tag, das Frauen in ihrer Situation heute vermutlich schwer fallen würde. Als der hübsche Stephan Murai um sie wirbt, fordert sie von ihm entweder grenzenlose Liebe oder Verzicht, also völlig kompromisslos alles oder nichts.
Und ebenso kompromisslos trennt sie sich auch sofort von ihrem Mann, als er nur ein einziges Mal fremdgeht. Nun ist sie alleinerziehende Mutter des gemeinsamen Sohnes, verwaltet ihr eigenes Gut und verrichtet hauptsächlich Männerarbeit. Ein solches Leben wäre auch heute noch ein gutes Beispiel für die überdurchschnittliche Selbstbestimmung einer Frau.
Dazu kommt, dass Stifter seine Protagonistin nicht nur als vernunftbegabt, selbstständig und äußerst tatkräftig beschreibt, sondern auch als angenehm im Umgang und mit einer schönen Seele ausgestattet. Sie ist also nicht nur geradlinig und kompetent, sondern auch menschlich und sozial – eine Mischung, die auch in unserem gegenwärtigen Zusammenleben unverzichtbar ist.