Stoff
für nicht wenige erfolgreiche Kinderbücher ist das Aufeinandertreffen von
Fabelwesen und „normalen Menschen“. Meister Eder und sein Pumuckl sind dafür
ein ebenso gutes Beispiel wie Herr Taschenbier und das Sams. Der Reiz der
Geschichte besteht in diesen Fällen darin, dass die außergewöhnlichen
Eigenschaften bzw. Fähigkeiten der Fabelwesen mit der realen Alltagswelt
kollidieren.
Nur
weil der Kobold Pumuckl für Fremde grundsätzlich unsichtbar ist, kommt der Schreinermeister
Eder des Öfteren in Erklärungsnot, was seine Streiche betrifft. Und die
Wunschpunkte des Sams bringen den sonst so schüchternen Herrn Taschenbier in
Situationen, die in keinster Weise alltäglich genannt werden können.
Wichtig
ist dabei, dass durch die Eigenwilligkeit der Figuren immer neue Konflikte
entstehen. Die menschlichen Personen haben nur bedingt bis gar keinen Einfluss
auf ihre übernatürlichen Mitbewohner. Und, was noch entscheidender ist, sie
werden sie auch nicht mehr los.
Sowohl
Eder als auch Taschenbier wollen zu Beginn der jeweiligen Geschichte nichts von
den nervtötenden Wesen wissen. Doch in beiden Fällen ist es von der Natur
sozusagen vorgegeben, dass sie in Zukunft untrennbar mit ihnen verbunden sind.
Wer den Pumuckl sieht, muss ihn danach bei sich beherbergen. Und wer das Sams
als solches erkennt, ebenfalls.
Durch
diese Vorgaben werden Ausgangssituationen geschaffen, die in der Folge für
ausreichend Konfliktstoff und unangenehme Situationen für die Protagonisten
sorgen. Ein Ende der ungewöhnlichen Beziehung kann es zu Lebzeiten der beiden
Herren also gar nicht geben. Und da Fabelwesen nicht altern, krank werden oder
sonstigen Veränderungen unterliegen, gibt es kaum äußere Faktoren, die
dazwischen kommen könnten.
Doch
Eder und Taschenbier haben durchaus nicht nur Nachteile von ihren frechen
Zeitgenossen. Beide profitieren auch immer wieder von ihnen. Vor allem helfen
sie ihnen in schwierigen Situationen immer wieder aus der Patsche. In dieser
Ambivalenz liegt ein weiterer Reiz dieser Paarungen. Vor allem auch deshalb,
weil auch die Erwachsenen ihren vorwitzigen Fabelwesen hilfreich zur Seite
stehen.
Für
Kinder ist dieses beidseitige Aufeinander-Angewiesensein vermutlich ein sehr
positiver Aspekt der Paare. Schließlich tut es gut, zu erfahren, dass auch die Kleinen
mal Einfluss auf die Großen haben können, sei es fördernd oder auch bremsend.
Sicher
gibt es noch viel mehr derartige bekannte Kinderbuch-Paare, aber die genannten
erschienen mir besonders gute Beispiele dafür zu sein, wie sie funktionieren.
Für weitere Nennungen bin ich jederzeit dankbar.
Ein
Beispiel für die Verrücktheiten aktueller Kinderbücher sind die in zunehmendem
Maße vorkommenden Tiere. Pferdebücher gab es schon immer. Und sie waren vor
allem bei Mädchen auch schon immer beliebt. Pippis „Herr Nilsson“ und ihr Pferd
„Kleiner Onkel“ erblickten bereits in den 40er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts das Licht der Welt. Tiere in Kindergeschichten sind also nichts
Neues.
In
welcher Form sie allerdings in letzter Zeit die Kinderliteratur bevölkern, hat
sich durchaus geändert. Denn nicht nur die menschlichen Helden sind
ausgefallener als früher, sondern auch die tierischen. Oder zumindest die
Beziehung zwischen beiden. Da gibt es eine „Schule der magischen Tiere“, in der
die Tiere sprechen können. Auch Petersson hat einen sprechenden Kater namens
Findus, mit dem er allerlei erlebt. Es gibt Liliane Susewind, die mit Tieren
sprechen kann. Und es gibt Winston, die schlaueste Katze des Universums, die
sogar selbst auf Verbrecherjagd geht.
Aber
es kommt noch besser. Ein Meerschweinchen, in dem der Geist eines
Kriminaloberkommissars wohnt, löst genauso Fälle wie die „Haferhorde“, die
natürlich aus Pferden besteht. Realistisch war gestern. Heute ist alles, was
unrealistisch ist, in. Zumindest in der Kinderliteratur.
Das
führt natürlich dazu, dass ein Thema das andere überflügeln muss. War Benjamin
Blümchen lange Zeit das einzige sprechende Tier in der Kinderunterhaltung, so
gibt es inzwischen unzählige. Alles, was erfolgreich ist, wird mehrfach
nachgemacht. Ein bisschen abgewandelt zwar, doch große Unterschiede gibt es oft
nicht.
Die
Frage ist nun, ob dieses Phänomen die Kinderliteratur schlechter oder besser
macht. Sind Ähnlichkeiten vielleicht gar nicht so zu verdammen, weil die
kleinen Leser oft das Vertraute am liebsten mögen? Oder leidet die
Vielseitigkeit der Themen unter dem häufigen Nachahmen bereits erfolgreicher
Geschichten? Und haben „normale“ Tiergeschichten bei den momentanen
Gepflogenheiten der Branche überhaupt noch eine Chance?
Ist
es wahr, dass Kinder in der Hauptsache ausgefallene Geschichten mögen? Oder
finden sie es nicht ab und zu auch ganz gut, sich und ihre Lebenswirklichkeit
in Büchern wiederzufinden und wiederzuerkennen? Fragen, über die es sich lohnt
nachzudenken.