Zum
Problem des ersten Satzes gibt es noch mehr zu bedenken. Wie lange wartet man zum
Beispiel als Schreibenichts darauf, ob er von allein kommt oder ob man ihn
zunächst einmal improvisieren muss? Einen guten ersten Satz kann man nicht
erzwingen. Aber er muss so viel beinhalten, dass man ihn auf keinen Fall
unterschätzen sollte. Er muss außergewöhnlich und prägnant sein. Er darf nicht
zu viel sagen und auch nicht zu wenig. Meiner Meinung nach sollte er nicht zu
lang sein. Er sollte neugierig machen und inhaltlich etwas mit dem Thema der
Geschichte zu tun haben.
Ein
bisschen viel für etwas, das man ausgerechnet als erstes formulieren muss, wenn
man mit dem Schreiben anfängt. Praktischer wäre es, wenn ein Roman so wie eine
Diplomarbeit mit einer unbedeutenden Einleitung beginnen würde. Einer
Einleitung, bei der man noch nicht wirklich in die Tiefe geht, sondern erst einmal allgemein und oberflächlich
zum Thema hinführt - ähnlich wie das Aufwärmen beim Sport.
Der
erste Satz eines Romans darf kein „Aufwärm-Satz“ sein, keine Dehn- oder
Lockerungsübung. Im Gegenteil, im besten Fall ist er gleich zu Beginn des
Spiels ein Tor. Der Leser sollte idealerweise sofort gefesselt sein und wissen
wollen, wie es weitergeht. Dazu reicht ein Satz natürlich nicht. Aber er bildet
den Anfang. Ohne Anfang geht es auch nicht weiter.
Ich
habe einmal gehört, dass Lektoren von einem neuen Manuskript gerne mal nur die
erste Seite lesen. Angeblich kann man dann schon sagen, ob der Text etwas
hergibt oder nicht. Und vermutlich machen es viele Leser in der Buchhandlung
ebenso. Wer hat schon Zeit, beim Einkauf schnell mal ein ganzes Kapitel in
Augenschein zu nehmen?
Das
Problem des ersten Satzes wird uns Schriftsteller immer begleiten. Ohne ihn
geht es leider nicht. Gelingt er aber gut, so erleichtert er uns auch so
einiges - und zwar nicht nur eventuell den Verkauf des fertigen Buches, sondern
auch schon dessen Fertigstellung. Mit dem ersten Satz geben wir uns auch selbst
vor, in welche Richtung unser Schreiben gehen soll. Es lohnt sich also, über
den ersten Satz etwas länger nachzudenken…
Der
erste Satz ist der wichtigste. Allerdings wahrscheinlich auch der schwierigste.
Der erste Satz eines Textes, vor allem eines Romans, ist ähnlich bedeutend wie
der Titel. Klingt komisch, ist aber so. Die Entscheidung, ein Buch im Laden in
die Hand zu nehmen, trifft der potentielle Leser meistens aufgrund von Cover
und Titel. Doch wenn er es erst einmal in der Hand hat, muss ihn der Anfang des
Textes überzeugen. Findet er den ersten Satz langweilig, zu durchschaubar oder
stilistisch nicht ansprechend, so wird er niemals weiterlesen und in Erwägung
ziehen, das Buch zu kaufen.
Die
Bedeutung des ersten Satzes macht das Schreiben nicht gerade einfacher. Schließlich
beginnt man in den meisten Fällen mit dem Anfang der Geschichte. Natürlich kann
man den ersten Satz während der Entstehung des Romans jederzeit wieder ändern.
Und auch nach Vollendung des Textes hindert den Schriftsteller niemand daran,
an der Formulierung zu feilen oder sogar etwas ganz anderes zu schreiben.
Trotzdem
geht es mir so, dass ich den ersten Satz gerne schon am Anfang so schreibe, wie
ich ihn später auch lassen möchte. Und tatsächlich sind die ersten Sätze meiner
Romane und Geschichten jedes Mal bis zum Schluss so geblieben, wie ich sie zu
Beginn meiner Arbeit formuliert habe. Das allerdings macht die Hemmschwelle vor
dem Start des Schreibens nicht gerade kleiner. Die Tatsache, dass der erste
Satz am besten gleich sitzen sollte, bringt mich dazu, die Arbeit an einem
neuen Text erst einmal vor mir her zu schieben.
Manchmal
weiß ich den ersten Satz sofort. Manchmal geht er mir schon einige Tage im Kopf
herum, bis ich mich entschließe, ihn so zu lassen und aufzuschreiben. Bei
meinem ersten Roman hatte ich zu Beginn nichts als den ersten Satz. Und daraus
ergab sich die ganze Geschichte. Wenn er sich allerdings nicht automatisch
ergibt oder aufdrängt, wird es schwieriger. Denn wie recherchiert man
eigentlich den ersten Satz?
Fortsetzung
folgt…
Schreiben
oder nicht schreiben – das ist hier die Frage! Zumindest so lange man als
Schriftsteller noch nicht an einem neuen Projekt arbeitet. Ideen hat man immer
wieder, auch in Zeiten des Nicht-Schreibens. Doch diese Ideen in die Tat
umzusetzen, kostet dann doch einiges an Überwindung, so komisch das auch klingen mag.
Je
länger die Phase des Nicht-Schreibens dauert, desto höher wird die
Hemmschwelle, wieder anzufangen. Zu viele Wenns und Abers stehen im Raum, bevor
man tatsächlich etwas Neues in Angriff nehmen kann. Da ist zunächst einmal die
Angst, dass man das Schreiben durch mangelndes Training irgendwie verlernt hat.
Und falls das nicht der Fall ist, dass man es zumindest erst wieder üben muss,
bis man die alte Form erreicht hat.
Vermutlich
sind nicht alle Schriftsteller so ungeduldig wie ich. Aber ich würde am
liebsten alles immer sofort genauso aufschreiben wie es dann im Endeffekt auch
bleiben soll. Fingerübungen und Tonleitern vor der Aufführung einer Symphonie
scheinen da nur aufzuhalten. Was die Hemmschwelle zu Beginn eines neuen
Projektes nicht gerade verkleinert. Im Gegenteil.
Das
eine ist also die Angst vor der fehlenden Funktionsfähigkeit des Handwerks, das
andere die vor der mangelnden Tragfähigkeit des Stoffes. Wenn ich wieder
anfange zu schreiben – und sei es auch nur ein Exposé -, kann es passieren,
dass ich früher oder später merke, dass meine Idee nicht so funktioniert wie
ich dachte. Oder vielleicht stellt sich heraus, dass die Geschichte zu wenig
umfangreich für einen ganzen Roman oder etwas Entsprechendes ist.
Bevor
mir das passiert, schiebe ich den Beginn des Schreibens und damit die
Erkenntnis, dass das nicht so klappt wie erhofft, lieber noch ein wenig vor mir
her. Und denke noch ein paar Tage drüber nach. Allerdings habe ich dann auch
erst mal nicht das Erfolgserlebnis, dass es eben doch so funktioniert wie
erwartet. Und eventuell sogar noch besser.
Deshalb
überwinde ich immer wieder die Hemmschwelle vom Nicht-Schreiben zum Schreiben.
Und in den meisten Fällen sogar mit Erfolg…