Dienstag, 27. Mai 2014

Von dem, was kommt

Nachdem nun lange genug von sämtlichen Befindlichkeiten meiner Romanfiguren die Rede war, soll es in der nächsten Zeit etwas mehr um die Leser gehen. Und zwar um die Blog- und damit natürlich auch ganz allgemein um die Bücherleser. Denn nicht nur ich als Schriftstellerin baue Beziehungen zu den von mir erfundenen Protagonisten auf. Jeder, der sich für einige Zeit auf eine fiktionale Geschichte einläßt, tut das.
Jeder Leser lebt von der ersten bis zur letzten Seite ein wenig mit den Figuren, denen er im Laufe eines Buches begegnet. Manche dieser Figuren wäre man am liebsten sofort wieder los. Und andere möchte man nach Beenden der Lektüre fast gar nicht mehr hergeben. Einigen würde man gerne nacheifern oder auch mal in der Realität begegnen. Sicher gibt es auch viele literarische Helden, die so manchem Leser für immer ein Buch mit sieben Siegeln bleiben werden.
Solche und andere Fragen werden in den kommenden Wochen in diesem Blog zur Sprache kommen und hoffentlich auch ein bißchen diskutiert werden. Zu jedem Thema werde ich zunächst eine, nämlich meine eigene Meinung, darlegen. Und vielleicht kommen beim Lesen dem einen oder anderen ein paar Ideen, die er oder sie dann ebenfalls zur Diskussion stellen möchte.
Auf jeden Fall werden wir uns zurückerinnern an so manches Buch und seine Helden, von denen wir gelesen haben, mit denen wir gelebt haben und die uns aus diesem oder jenem Grund im Gedächtnis geblieben sind. Vielleicht sogar über mehrere Jahrzehnte. In diesem Sinne: Auf, auf zum fröhlichen Figuren-Reigen!

Montag, 12. Mai 2014

Von Querulanten und ihren Streichen (Teil III)

Weiterhin im Interview: Karl Jung, 75 Jahre, Oberstudienrat a.D. aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil II des Interviews am Freitag)

Gibt es denn außerdem noch mehr Themen, die zwischen Ihnen beiden strittig sind?

Nun ja... strittig... Frau Lechner provoziert mich, wo sie nur kann. Irgendwie scheint sie mit meiner Art nicht zurecht zu kommen.

Woran merken Sie das?

Sie spielt mir Streiche. Wie ein kleines Mädchen. Am Anfang dachte ich ja, das wären die Buben aus dem obersten Stock. Ich habe mich sogar bei den Eltern beschwert. Als Frau Lechner das mitbekommen hat, kam sie sofort zu mir und hat die Sache aufgeklärt. Sie hätte sich so über mich geärgert und hätte mir deshalb den Klebstoff auf den Fußabstreifer geschmiert. Können Sie sich das vorstellen? Das ist Sachbeschädigung. Seitdem weiß ich immer sofort, wer dahinter steckt, wenn wieder so etwas passiert.

Wissen Sie denn, warum sie das macht?

Natürlich, daraus macht sie ja kein Geheimnis. Im Gegenteil. Ihre Gründe reibt sie mir ja unter die Nase, sobald ich sie darauf anspreche. Angeblich will sie mich „nur ein wenig auflockern“. Ihre Worte. Man müsse das Leben lockerer sehen als ich das tue. Sie wolle mir nur dabei helfen. Die Gute. Ihr missionarischer Eifer kann einem manchmal wirklich auf die Nerven gehen. Manchmal verkneife ich mir schon jegliche Kritik, obwohl sie mir unter den Nägeln brennt. Nur um mir ihre Belehrungen nicht anhören zu müssen.

Aber sind Sie es nicht, der die anderen belehrt?

Nein. Eigentlich habe ich nur mit Frau Lechner derartige Auseinandersetzungen. Und das liegt ganz eindeutig an ihrer unbelehrbaren Art.

Da scheinen offensichtlich zwei ähnliche Charaktere aufeinander zu treffen.

Bitte vergleichen Sie mich nicht mit dieser Querulantin. Wir beide haben wirklich überhaupt nichts gemeinsam. Ich bin froh, wenn ich sie endlich los bin. Vielleicht gehe ich in absehbarer Zukunft in eine Seniorenresidenz. Dann habe ich endlich meine Ruhe. Und Frau Lechner kann jemand anderen mit ihren gutgemeinten Streichen quälen. Viel Spaß.

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Herr Jung.

Freitag, 9. Mai 2014

Von Querulanten und ihren Streichen (Teil II)

Weiterhin im Interview: Karl Jung, 75 Jahre, Oberstudienrat a.D. aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil I des Interviews vorgestern)

Aber die Lautstärke Ihrer Nachbarin ist nicht das einzige Problem zwischen Ihnen, oder?

Mitnichten. Schön wär’s. Diese Frau hat einfach zu viel Zeit. Ich weiß überhaupt nicht, wo sie die hernimmt. Schließlich macht sie diesen furchtbaren Kampfsport, von dem man in unserem Alter wirklich die Finger lassen sollte.

Woher wissen Sie denn das?

Das hat sie mir selbst gesagt, als sie mir bei einer Auseinandersetzung mit ihrer Kampfkunst gedroht hat. Da habe ich wirklich gedacht, sie greift mich jetzt tatsächlich an.

Und worum ging es?

Eigentlich war das keine große Sache. Ich hatte ihr nur gesagt, dass das Treppenhaus jeweils am Donnerstag vormittag gesäubert werden sollte, da anderenfalls die Intervalle zwischen den Putzvorgängen zu sehr variieren würden. Jeder Mieter muss nämlich reihum ein Mal in der Woche das Treppenhaus reinigen. Das geht nach Kalenderwochen. Wenn aber der eine diese Aufgabe am Anfang der Woche erledigt und der nächste erst Ende der nächsten Woche, dann liegt dazwischen eine Zeitspanne von fast zwei Wochen. Und zwischen den nächsten zwei Putzvorgängen eventuell nur ein paar Tage. Das führt zu erheblichen Unregelmäßigkeiten.

Frau Lechner putzt also nicht richtig?

So kann man das nicht sagen. An der Sauberkeit ist nichts zu beanstanden. Nur die Zeiträume könnte man erheblich optimieren. Und dafür sind Absprachen nötig. Aber Frau Lechner sperrt sich gegen jede Art von Regelung. Sie behauptet, sie könnte sich dabei nicht auf einen bestimmten Wochentag festlegen, da sie nie genau wüsste, wann sie zu Hause sei.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 7. Mai 2014

Von Querulanten und ihren Streichen (Teil I)

Heute im Interview: Karl Jung, 75 Jahre, Oberstudienrat a.D. aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“

Herr Jung, wie man hört, haben Sie ab und zu ein paar Probleme mit Ihrer Nachbarin. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ein „paar Probleme“ ist gut. Diese Frau ist eine notorische Querulantin! Und das in ihrem Alter! Wenn Zwanzigjährige eine gewisse Renitenz entwickeln, wundere ich mich nicht. Aber wo kommen wir denn hin, wenn uns jetzt auch schon die Senioren auf die Nerven gehen?

Ist es denn wirklich so schlimm?

„Schlimm“ ist gar kein Ausdruck. Diese Frau findet Gefallen an allem, was zur Störung eines friedvollen Miteinanders auch nur ansatzweise beitragen kann. Sie spielt zu jeder Tages- und Nachtzeit Klavier, hält sich an keinerlei Ruhezeiten und überschreitet die angemessene Zimmerlautstärke quasi stündlich. Können Sie mir sagen, wie man mit einer solchen Person Wand an Wand zurecht kommen soll?

Das hört sich ja an, als würde sie den ganzen Tag in ihrer Wohnung Parties feiern.

Nun, das nun nicht gerade. Dazu ist sie viel zu viel unterwegs. Aber wenn sie zu Hause ist, ist das nie zu überhören. Das sage ich Ihnen. Manchmal höre ich den Ton meines eigenen Fernsehers kaum, weil sie wieder irgendeinen Triumphmarsch klimpert.

Fortsetzung folgt...

Samstag, 3. Mai 2014

Von Karate und Spießern (Teil III)

Weiterhin im Interview: Fanny Lechner, 73 Jahre, Rentnerin aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil II des Interviews vorgestern)

Dann tun Sie sozusagen ein gutes Werk mit Ihren Streichen?

So würde ich das auch sehen. Leider sieht ein Großteil meiner Umwelt das etwas anders. Herr Jung ist ja nicht der einzige, dem ich mit meiner Weltsicht regelmäßig auf die Füße trete.

Wem denn noch?

Den Eltern zum Beispiel, deren Kindern ich ab und zu Märchen erzähle, wenn sie Betreuung brauchen. Dabei verändere ich hie und da das eine oder andere Detail, um die Kinder auf spielerische Weise mit den Notwendigkeiten unserer heutigen Welt vertraut zu machen.

Zum Beispiel?

Nun ja, Dornröschen sollte sich zum Beispiel, meiner Meinung nach, selbst aus der Dornenhecke befreien. Und Rapunzel muss sich natürlich seine langen Haare abschneiden und eigenständig aus der Gefangenschaft entfliehen. Selbst ist die Frau. Kinder können das gar nicht früh genug lernen. Der männliche Retter ist heutzutage nicht mehr zeitgemäß.

Und wie reagieren die Kinder?

Die haben da kein Problem damit. Im Gegenteil. Für die ist es die natürlichste Sache der Welt. Aber ihre Eltern beschweren sich gerne mal darüber, dass ich deutsches Kulturgut zerstören würde. Ich würde mich an Klassikern vergreifen, die unantastbar seien. So ein Schmarrn. Was ist ein Text denn wert, wenn er vor den Veränderungen der Zeit kapituliert? Ich lasse mir von niemandem, auch nicht von den Gebrüdern Grimm, vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.

Das ist doch mal ein Wort. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Frau Lechner.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Von 100 Posts und ihren Lesern

Soeben habe ich zum hundersten Mal etwas in diesem Blog gepostet. Ein kleines Jubiläum. Und dass es soweit kommen konnte, verdanke ich Euch, die Ihr seit einem Dreivierteljahr hier meine Texte lest. Ich finde, das ist ein guter Grund, die Leser meines Blogs etwas mehr zu Wort kommen zu lassen. Meine Erfahrungen mit Romanfiguren kennt Ihr ja nun schon ein bißchen. Jetzt bin ich auf Eure gespannt. Deshalb werde ich mir ein paar interessante Fragen überlegen, zu denen Ihr dann gerne Euren Senf geben könnt. Und vielleicht entstehen aus Euren Erfahrungen ja dann meine nächsten Romanfiguren, die dadurch noch viel spannender und glaubwürdiger werden.
Danke für Euer bisheriges Interesse. Ich hoffe, es bleibt mir auch die nächsten 100 Posts erhalten!
Susanne

Von Karate und Spießern (Teil II)

Weiterhin im Interview: Fanny Lechner, 73 Jahre, Rentnerin aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil I des Interviews vorgestern)

Das heißt, Sie widmen einen Großteil Ihrer Zeit Ihrer Familie?

Nicht nur. Auch mein Nachbar, Oberstudienrat a.D. Jung, braucht ab und zu eine helfende Hand, die ihm unter die Arme greift?

Hat er auch Liebeskummer?

Liebeskummer? Der? Schön wär’s. Ich glaube, der hat überhaupt keine Gefühle. Der hat wahrscheinlich ein Uhrwerk an der Stelle, an der andere ihr Herz haben. Seine einzige Sorge im Leben ist, dass alles seine Ordnung hat. Ob es sich um die Einhaltung des Putzplans, die gelagerten Dinge im Keller, die Einhaltung der Ruhezeiten oder andere Korinthenkackereien handelt, an allem hat der etwas auszusetzen. Das muss doch furchtbar anstrengend sein, sich den ganzen Tag ausschließlich den Kopf über derartige Kleinigkeiten zu zerbrechen, oder?

Dann muss man also mit diesem Herrn Jung eher Mitleid haben?

Mitleid? Mit einem Spießer, wie er im Buche steht? Der ist doch selbst schuld, wenn er sich mit dem Ärger über die angeblichen Unzulänglichkeiten der anderen das Leben schwer macht! Also mit einem solchen Oberlehrer habe ich bestimmt kein Mitleid. Im Gegenteil.

Was heißt das?

Nun ja, ich versuche, wo ich kann, ihn von seiner Spießigkeit zu befreien. Ich habe da so meine Methoden. Bis jetzt haben sie noch nicht den erwünschten Erfolg gezeigt, aber ich bin zuversichtlich, dass selbst Oberstudienrat Jung nicht auf Dauer auf den unwichtigsten Kleinigkeiten herumreiten kann.

Und was sind das für Methoden, wenn man fragen darf?

Das muss aber unter uns bleiben... Ab und zu spiele ich ihm kleine Streiche, die ihm zeigen sollen, dass er auf dem falschen Dampfer ist.

Und was sind das für Streiche?

Ich stecke ihm eine Mausefalle in den Briefkasten, stelle mich schwerhörig, wenn er sich beschweren will, etc. Er soll das Leben einfach mehr mit Humor nehmen. Wenn wir uns alle wegen jeder Kleinigkeit aufregen würden, hätten wir ja keine ruhige Minute mehr. Dafür ist das Leben einfach zu kurz. Wir vergeuden wertvolle Lebenszeit mit diesen Kinkerlitzchen. Das wird auch unser lieber Herr Jung irgendwann einsehen. Hoffentlich ist es dann nicht schon zu spät.

Fortsetzung folgt...