Donnerstag, 1. Mai 2014

Von Karate und Spießern (Teil II)

Weiterhin im Interview: Fanny Lechner, 73 Jahre, Rentnerin aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil I des Interviews vorgestern)

Das heißt, Sie widmen einen Großteil Ihrer Zeit Ihrer Familie?

Nicht nur. Auch mein Nachbar, Oberstudienrat a.D. Jung, braucht ab und zu eine helfende Hand, die ihm unter die Arme greift?

Hat er auch Liebeskummer?

Liebeskummer? Der? Schön wär’s. Ich glaube, der hat überhaupt keine Gefühle. Der hat wahrscheinlich ein Uhrwerk an der Stelle, an der andere ihr Herz haben. Seine einzige Sorge im Leben ist, dass alles seine Ordnung hat. Ob es sich um die Einhaltung des Putzplans, die gelagerten Dinge im Keller, die Einhaltung der Ruhezeiten oder andere Korinthenkackereien handelt, an allem hat der etwas auszusetzen. Das muss doch furchtbar anstrengend sein, sich den ganzen Tag ausschließlich den Kopf über derartige Kleinigkeiten zu zerbrechen, oder?

Dann muss man also mit diesem Herrn Jung eher Mitleid haben?

Mitleid? Mit einem Spießer, wie er im Buche steht? Der ist doch selbst schuld, wenn er sich mit dem Ärger über die angeblichen Unzulänglichkeiten der anderen das Leben schwer macht! Also mit einem solchen Oberlehrer habe ich bestimmt kein Mitleid. Im Gegenteil.

Was heißt das?

Nun ja, ich versuche, wo ich kann, ihn von seiner Spießigkeit zu befreien. Ich habe da so meine Methoden. Bis jetzt haben sie noch nicht den erwünschten Erfolg gezeigt, aber ich bin zuversichtlich, dass selbst Oberstudienrat Jung nicht auf Dauer auf den unwichtigsten Kleinigkeiten herumreiten kann.

Und was sind das für Methoden, wenn man fragen darf?

Das muss aber unter uns bleiben... Ab und zu spiele ich ihm kleine Streiche, die ihm zeigen sollen, dass er auf dem falschen Dampfer ist.

Und was sind das für Streiche?

Ich stecke ihm eine Mausefalle in den Briefkasten, stelle mich schwerhörig, wenn er sich beschweren will, etc. Er soll das Leben einfach mehr mit Humor nehmen. Wenn wir uns alle wegen jeder Kleinigkeit aufregen würden, hätten wir ja keine ruhige Minute mehr. Dafür ist das Leben einfach zu kurz. Wir vergeuden wertvolle Lebenszeit mit diesen Kinkerlitzchen. Das wird auch unser lieber Herr Jung irgendwann einsehen. Hoffentlich ist es dann nicht schon zu spät.

Fortsetzung folgt...

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