Samstag, 3. Mai 2014

Von Karate und Spießern (Teil III)

Weiterhin im Interview: Fanny Lechner, 73 Jahre, Rentnerin aus München und Nebenfigur des Romans „Verliebt und zugenäht!“ (Teil II des Interviews vorgestern)

Dann tun Sie sozusagen ein gutes Werk mit Ihren Streichen?

So würde ich das auch sehen. Leider sieht ein Großteil meiner Umwelt das etwas anders. Herr Jung ist ja nicht der einzige, dem ich mit meiner Weltsicht regelmäßig auf die Füße trete.

Wem denn noch?

Den Eltern zum Beispiel, deren Kindern ich ab und zu Märchen erzähle, wenn sie Betreuung brauchen. Dabei verändere ich hie und da das eine oder andere Detail, um die Kinder auf spielerische Weise mit den Notwendigkeiten unserer heutigen Welt vertraut zu machen.

Zum Beispiel?

Nun ja, Dornröschen sollte sich zum Beispiel, meiner Meinung nach, selbst aus der Dornenhecke befreien. Und Rapunzel muss sich natürlich seine langen Haare abschneiden und eigenständig aus der Gefangenschaft entfliehen. Selbst ist die Frau. Kinder können das gar nicht früh genug lernen. Der männliche Retter ist heutzutage nicht mehr zeitgemäß.

Und wie reagieren die Kinder?

Die haben da kein Problem damit. Im Gegenteil. Für die ist es die natürlichste Sache der Welt. Aber ihre Eltern beschweren sich gerne mal darüber, dass ich deutsches Kulturgut zerstören würde. Ich würde mich an Klassikern vergreifen, die unantastbar seien. So ein Schmarrn. Was ist ein Text denn wert, wenn er vor den Veränderungen der Zeit kapituliert? Ich lasse mir von niemandem, auch nicht von den Gebrüdern Grimm, vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.

Das ist doch mal ein Wort. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Frau Lechner.

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