Freitag, 15. August 2014

Welche bekannte Literaturfigur hat dich besonders genervt und warum?

Vielleicht ist das ein bißchen unfair, was ich jetzt schreibe, aber andererseits hat jeder Leser das Recht, sich seine eigene Meinung über diesen oder jenen Bücherhelden zu bilden. Und nach allem, was ich über Johann Wolfgang Goethe, den Autoren, und sein Leben weiß, hätte er mir zu einem späteren Zeitpunkt seines Schaffens vermutlich sogar zugestimmt.
Nun aber zu ihm, einem aus heutiger Sicht etwas nervigen Protagonisten der Literaturgeschichte, dem Werther aus Goethes „Die Leiden des jungen Werther“. Natürlich muss man dem allseits bekannten Romanhelden zugute halten, dass dieses Werk im Jahr 1774 entstand und dass man zu dieser Zeit äußerst überschwängliche und pathetische Texte schrieb. Mit einem eher zeitgenössischen Literaturgeschmack ist dieser Geschichte wahrscheinlich im 21. Jahrhundert nicht mehr so leicht beizukommen.
Aber abgesehen von der sehr schwülstigen und geradezu übersteigerten Ausdrucksweise, ist Werthers Art so von Selbstmitleid und Realitätsverlust geprägt, dass es mir ab und zu dann doch zu viel wurde. Am liebsten möchte man ihm auf jeder zweiten Seite zurufen: „Reiß dich zusammen. Du bist nur unglücklich verliebt. Das passiert jedem mal. Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Sei froh, dass du keine schlimmeren Probleme hast.“
Sätze wie „Adieu! Ich sehe dieses Elendes kein Ende als das Grab“ oder „Gott im Himmel, hast du das zum Schicksale der Menschen gemacht, daß sie nicht glücklich sind, als ehe sie zu ihrem Verstande kommen und wenn sie ihn wieder verlieren“ klingen für einen, der schlichtweg von einer umschwärmten Frau abgewiesen wurde, doch etwas übertrieben.
Im Laufe des Romans steigert sich Werther immer mehr in dieses Gefühl hinein, dass es für ihn keine Rettung gibt und dass er sich für Lotte opfern müsse. „Sein Sie ein Mann“ sagt diese Lotte irgendwann zu ihm. Damit macht sie es sich natürlich auch ein bißchen leicht. Aber hätte er nicht tatsächlich wenigstens versuchen können, sie zu vergessen und eine andere zu finden? Stattdessen bemitleidet er sich selbst und vergräbt sich bis zum kompletten Realitätsverlust in seiner Melancholie, was gegen Ende des Romans dann doch ab und zu ein wenig nervt, wie ich finde.
Mein Kandidat für den Posten eines besonders nervigen Bücherhelden: Werther. Und Deiner?

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