Mittwoch, 6. November 2013

Von einer Beziehung und ihren Folgen

Die Beziehung zwischen einem Autor und seinen Romanfiguren bleibt für beide Seiten meistens nicht ohne Folgen. Genauso wie ich als Schriftstellerin meine Protagonisten immer wieder verändere, beeinflussen auch die Figuren mich. Unser Zusammenleben in der fiktionalen Wohngemeinschaft wirkt sich aus – immer wieder.
Dass ich an meinen Figuren bis zum Ende der Romanarbeit herumbastle, sie ständig mit neuen Facetten ausstatte und manchmal auch noch kurz vor Schluss an ihrer Gesamterscheinung feile, versteht sich von selbst. Schließlich sollen sie im fertigen Werk in einer möglichst realistischen, stimmigen Gestalt auftreten. Und diese Gestalt tragen sie dann mit sich herum – Wochen, Monate, Jahre, vielleicht sogar in einer nächsten Auflage, einer neuen Übersetzung, einem Hörbuch oder einer Verfilmung.
Natürlich kann sich in jedem weiteren Bearbeitungsschritt wieder etwas verändern. Aber meistens bleiben die Figuren doch ihr Leben lang im Großen und Ganzen so wie sie einmal konzipiert worden sind. Harry Potter kann schließlich auch nicht im letzten Band sein Aussehen oder seinen Charakter grundlegend ändern. Er kann sich entwickeln, reifen, dazulernen, aber alles auf einmal ganz anders machen kann er nicht. Damit muss er leben. Für immer. Und das hat ihm einzig und allein seine Erfinderin eingebrockt.
Was aber brocken uns Autoren unsere Figuren ein? Harry Potter zumindest hat das Leben von Joanne K. Rowling sicher enorm verändert. Auch sie kann in Zukunft bestimmt nichts mehr in Angriff nehmen, ohne mit ihrem berühmtesten Protagonisten in Verbindung gebracht zu werden. Und alle weiteren Romanfiguren müssen sich an Harry Potter messen lassen, und ihre Autorin mit ihnen. Das kann auch zum Problem werden.
Nun habe ich natürlich noch keine so bekannte und damit beherrschende Figur geschaffen. Trotzdem verändern auch meine Protagonisten mein Leben immer wieder. Mit der ersten Hauptfigur entscheidet sich oft, welche Art von Literatur man schreiben will. Die Basis für die fiktionale Wohngemeinschaft wird mit ihr gelegt und meistens auch die Richtung, in die sich das Ganze entwickeln soll. Dabei kann sich auch herausstellen, dass der erste Versuch wohl nicht der beste war. Aber einen Weg gibt sie vor, die erste Figur. Sie wird sozusagen zu einer Art Leithammel beim WG-Wandertag. Und beeinflusst manchmal noch lange nach ihrem Auszug den Rest ihrer Mitbewohner und ihren Erfinder...

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