Freitag, 31. Januar 2014

Von Männern und Medien (Teil III)

Weiterhin im Interview: Alma Pauli, 38 Jahre, Lokalredakteurin aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil II des Interviews gestern)

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Medienlandschaft in der Zukunft verändern?

Ich könnte mir vorstellen, dass in absehbarer Zeit eine grundlegende Trendwende eingeleitet wird. Die Nachteile des Internets werden, wenn nicht bald etwas passiert, so überhand nehmen, dass man sich auf die traditionellen Medien zurückbesinnen wird. Das Internet wird sicher nie mehr ganz aussterben, aber die Begeisterung darüber wird zurückgehen. Und dann kommt die große Stunde der gut ausgebildeten Journalisten, weil sie dann wieder gebraucht werden. Ein Online-Redakteur, der nie etwas anderes gemacht hat, wird nur in begrenztem Maße qualitätsvollen Zeitungs- oder auch Fernsehjournalismus  machen können und auch wollen.

Glauben Sie, dass Sie das in Ihrer beruflichen Laufbahn noch erleben werden?

Warum nicht? Wenn’s nach mir geht, arbeite ich sowieso bis man mich zum Aufhören zwingt. In Ruhe die Rente zu genießen, ist bestimmt auch mit Mitte sechzig nicht so mein Ding. Oder ich gebe dann einfach meine eigene Zeitung heraus. Irgendein rebellisches Blatt, das gegen Ungerechtigkeit und für die Schwachen kämpft. Kann ich mir schon richtig vorstellen, wie Oma Alma auf die Barrikaden geht. Da ich keine Kinder oder Enkel und wahrscheinlich auch keinen Mann haben werde, muss ich mir dann ja irgendwie die Zeit vertreiben.

Das klingt ja so, als könnten Sie es gar nicht erwarten...

So kann man das jetzt auch nicht sagen. Ich wäre schon froh, wenn ich meinen Job noch viele Jahre ausüben könnte. Man weiß ja nie, wie sich die Medienlandschaft entwickelt. Auch im Journalismus bläst der Wind kälter als früher. Keiner kann sich seiner Stelle wirklich sicher sein. Deshalb toi, toi, toi… Ich hoffe, es geht noch ein bißchen.

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Frau Pauli.

Donnerstag, 30. Januar 2014

Von Männern und Medien (Teil II)

Weiterhin im Interview: Alma Pauli, 38 Jahre, Lokalredakteurin aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil I des Interviews gestern)

Könnte es dann vielleicht sein, dass Sie bei der Arbeit nicht unbedingt mit dem Kopf bei der Männersuche sind und Ihnen deshalb die geeigneten gar nicht auffallen?

Das kann schon sein. Sie können mir aber auch nicht erzählen, dass ich in achtunddreißig Jahren Leben ständig an den richtigen Männern vorbeigelaufen bin und sie vor lauter Arbeit nur nicht bemerkt habe. Mein Leben ist eben mehr vom Job als von der Liebe geprägt. Ist das denn so ungewöhnlich? Ich fühle mich ganz gut damit.

Und es fehlt Ihnen nie etwas?

Selten. Aber da möchte ich jetzt auch nicht näher drauf eingehen.

Kein Problem. Dann kommen wir zu einem anderen Thema. Welche Eigenschaften stören Sie bei anderen Menschen am meisten?

Dummheit und Ungerechtigkeit. Das sind auch die Gründe, warum ich Journalistin geworden bin. Ich wollte Menschen ausführlich informieren und Mißstände konsequent aufdecken. Wenn ich manchmal mitbekomme, was Menschen aus Unwissenheit oder Feigheit mit sich machen lassen, könnte ich die Wände hochgehen.

Kommen Sie da nicht auch immer wieder an Ihre Grenzen?

Natürlich hat sich der Journalimus in den letzten Jahren sehr verändert. Schnelligkeit ist wichtiger geworden als fundierte Sachkenntnis. Dazu hat das Internet sicher auch einiges beigetragen. Heutzutage kann dort jeder öffentlich seine Meinung äußern, was früher den Prominenten und uns Journalisten vorbehalten war. Das mit dem „ausführlichen“ Informieren ist sehr schwer geworden. Was sicher auch daran liegt, dass die Leser durch die Schnelllebigkeit unserer Zeit gar nicht mehr so viel lesen wollen. Alles muss kurz und knapp auf den Punkt gebracht werden. Sonst springt das Publikum heute sofort ab.

Und darunter leiden Sie?

So kann man das eigentlich nicht sagen. Leiden ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung. Das ist mir zu passiv. Ich bin mehr eine Frau der Tat, versuche also das Beste aus der Situation zu machen.

Und wie sieht das in Ihrem Fall aus?

Nun, zunächst mal habe ich es mir durch die Wahl meines Arbeitsplatzes so angenehm wie möglich gemacht. Die „Süddeutsche Zeitung“ gehört im Vergleich zu anderen ja immerhin noch zu den Blättern, die weiterhin Wert auf möglichst ausführliche und gut recherchierte Artikel legen. Nie könnte ich zum Beispiel bei der „Bild“ arbeiten. Das wäre mit meinem Berufsethos nicht zu vereinbaren. Natürlich kämpft auch unsere Redaktion immer wieder mit den Problemen der Zeit. Aber wir versuchen, trotz zunehmend schwieriger Bedingungen einen guten Job zu machen.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 29. Januar 2014

Von Männern und Medien (Teil I)

Heute im Interview: Alma Pauli, 38 Jahre, Lokalredakteurin aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“

Frau Pauli, Sie sind Journalistin mit Leib und Seele. Kommt da das Privatleben nicht manchmal zu kurz?

Natürlich macht man einen solchen Job entweder ganz oder am besten gar nicht. Und wenn man ihn ganz machen will, darf man sich über Abend- oder Wochenendarbeit und ähnliches nicht beschweren.

Was sagt denn ihr Mann dazu?

Nichts. Weil es ihn im Moment nicht gibt. Die meisten meiner Beziehungen haben genau dieser Problematik nicht standgehalten. Die letzte ging in die Brüche, als ich für meine Zeitung ein Jahr als Korrespondentin nach London ging. Der Mann konnte einfach nicht verstehen, dass ich mein Privatleben immer dem Beruf unterordnen würde.

Und Sie hatten noch nie einen Lebenspartner, bei dem das anders gewesen wäre?

Nein, nie. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie der Mann beschaffen sein müsste, damit ich mein gesamtes Leben für ihn umkrempeln würde. Ich glaube, so einen Mann gibt es auf der ganzen Welt nicht. Zumindest habe ich noch nie einen getroffen, der auch nur ansatzweise imstande gewesen wäre, mich dazu zu bringen.

Vielleicht arbeiten Sie zuviel. Da bleibt ja wohl nicht viel Zeit, um Männer kennenzulernen.

Ganz im Gegenteil. Es gibt kaum einen Job, bei dem man so viele interessante Menschen kennenlernt wie im Journalismus. Ob bei Veranstaltungen oder Recherchen – im Grunde treffe ich jeden Tag auf neue Leute. Marie habe ich ja auch bei einer Umfrage kennengelernt, die ich für die „SZ“ gemacht habe.

Fortsetzung folgt...

Freitag, 24. Januar 2014

Von Hunden und Kater-strophen (Teil III)

Weiterhin im Interview: Kasimir, 6 Jahre, braun-weiß getigerter Kater aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil II des Interviews gestern)

Waren Sie eifersüchtig?

Auf den Köter? Keine Spur. Dann schon eher auf diesen Typen. Irgendwann wurde ich das Gefühl nicht mehr los, dass er drauf und dran war, meine Stelle einzunehmen. Der Mann im Haus war schließlich immer ich gewesen. Und jetzt wurde der sogar mehr liebkost als ich. Ein stinkender Hundefreund! Unglaublich! Da habe ich wirklich die Welt nicht mehr verstanden. Wie konnte sich mein Frauchen in der kurzen Zeit nur so verändern?

Haben Sie einen Weg gefunden, damit umzugehen?

Naja, „Weg“ ist vielleicht etwas übertrieben. Dem Hundegestank versuche ich, aus dem Weg zu gehen. Und den Typen ignoriere ich so gut es eben geht. Manchmal will er mich unbedingt begrüßen oder streicheln. Dann lasse ich ihn. Immerhin muss ich keinen Small Talk mit ihm machen wie ein Mensch es müsste. Da haben wir Tiere tatsächlich einen entscheidenden Vorteil.

Aber das ist doch kein Dauerzustand.

Was heißt hier „Dauerzustand“? Ehrlich gesagt hoffe ich, dass dieser Mann nicht mehr allzu lange bei uns ein und aus geht. Seit ich bei meinem Frauchen lebe, hat sie noch nie eine Person über längere Zeit regelmäßig bei sich zu Besuch gehabt. Warum also sollte sich das jetzt ändern?

Und falls die Situation doch grundlegend anders wird? Würden Sie ausziehen?

Ausziehen? Ich? Schließlich habe ich eindeutig die älteren Rechte! Wenn einer weichen muss, dann mit Sicherheit der Neue.

Vielleicht zieht er ja sogar ganz bei Ihnen und Marie ein. Und bringt eventuell auch noch den Hund mit.

Meinen Sie wirklich? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das wäre allerdings eine Katastrophe. Dann würde ich dem Hund schon zeigen, wer der Herr im Haus ist. Wir Kater haben da Mittel und Wege... Der würde sich ganz schön umschauen!

Das klingt ja nach kriegsähnlichen Zuständen, die sich in Zukunft bei Ihnen abspielen könnten.

Naja, jetzt warten wir erst einmal ab, ob es überhaupt dazu kommt. Vielleicht kommt mein Frauchen ja noch rechtzeitig zur Besinnung, und es kehren wieder ruhigere Zeiten bei uns ein. Wenn mir damals bewusst gewesen wäre, wie gut ich es allein mit ihr hatte, hätte ich die Situation mehr geschätzt. Aber wie so oft, weiß man erst, was man dran hatte, wenn es vorbei ist. Naja, vielleicht ist ja noch nicht alles verloren.

Das wünsche ich Ihnen. Und vielen Dank für dieses Gespräch.

Donnerstag, 23. Januar 2014

Von Hunden und Kater-strophen (Teil II)

Weiterhin im Interview: Kasimir, 6 Jahre, braun-weiß getigerter Kater aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil I des Interviews gestern)

Wie ging es dann weiter?

Nun ja, nach dem Entsorgungswahn kam eine Art Kaufrausch. Hatte sie in den drei Jahren vorher kaum neue Dinge angeschafft, so wollte sie jetzt offensichtlich alles nachholen. Allein die Klamotten... Das verwirrte mich immer mehr. Natürlich war sie dadurch auch immer seltener zu Hause. Früher war sie nach der Arbeit meistens sofort nach Hause gekommen und dann da geblieben. Jetzt kam sie oft später oder ging abends sogar noch aus.

Aber Katzen mögen es doch ganz gerne, auf sich selbst gestellt zu sein, oder?

Prinzipiell ja. Wenn sie genug Platz haben, um sich auszutoben. Aber kennen Sie die Wohnung meines Frauchens? Die ist erstens nicht so besonders groß und bietet auch nicht gerade viele Möglichkeiten zum Spielen. Solange mein Frauchen das kompensierte, war alles in Ordnung. Aber dann...

Was veränderte sich noch?

Irgendwann fing sie sogar an umzudekorieren. Sogar neu gestrichen hat sie. Sehr seltsam. Ich habe keine Ahnung, was diese Umgestaltungswut ausgelöst hat, aber sie war definitiv nicht zu übersehen. Manchmal vergaß sie vor lauter Renovieren sogar, mich zu füttern. Das war ihr früher nie passiert. Am schlimmsten wurde es allerdings, als sie anfing diesen Mann mit nach Hause zu bringen.

Warum?

Erstens hatte sie dann noch weniger Zeit für mich.

Und zweitens?

Zweitens stank der Typ ganz schrecklich nach Hund. Sehr unangenehm. Damals hätte ich das nicht für möglich gehalten, aber es kam noch schlimmer. Kurze Zeit später stank mein Frauchen dann auch ab und zu nach diesem Köter, wenn sie nach Hause kam. Da macht das Familienleben wirklich keinen Spaß mehr, das sag’ ich Ihnen.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 22. Januar 2014

Von Hunden und Kater-strophen (Teil I)

Heute im Interview: Kasimir, 6 Jahre, braun-weiß getigerter Kater aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“

Herr Kasimir, für Marie spielten sie lange eine nicht unwesentliche Rolle. Wie hat sich Ihr Leben in letzter Zeit verändert?

Seit mein Frauchen mich vor etwa drei Jahren aus dem Tierheim zu sich geholt hat, hat sich tatsächlich einiges verändert. Während sie die ersten Jahre sehr oft daheim war und sich auch viel mit mir beschäftigte, spiele ich inzwischen zu Hause allerhöchstens noch die zweite Geige. Zuerst konnte ich das, was da vorging, überhaupt nicht einordnen. Plötzlich fing sie an, wie wild in unserer Wohnung rumzuräumen und alle möglichen Dinge aus den entlegensten Winkeln zu zerren. Mir gefiel dieses Chaos recht gut, doch leider hatte es nur den einen Sinn, gnadenlos wegzuwerfen und zu entsorgen.

Das kann doch aber auch für einen Kater keine allzu große Katastrophe sein, oder?

Wenn’s nur das gewesen wäre. Der Sortierungswahn meines Frauchens hätte mich sogar ein Mal beinahe das Leben gekostet. Beim Herunterholen einer schweren Schachtel vom Schlafzimmerschrank verlor sie das Gleichgewicht und fiel von der Leiter. Nur meiner blitzschnellen Reaktion ist es zu verdanken, dass sie mich dabei nicht erwischt hat.

Da bestand aber doch eigentlich die größere Gefahr für Ihr Frauchen und nicht für Sie, oder?

Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Die Menschen tun so oft irgendwelche seltsamen Dinge. Wenn ich da jedes Mal über Sinn oder Unsinn, Wohl oder Wehe nachdenken würde, käme ich kaum mehr dazu, meine grundlegensten Bedürfnisse zu befriedigen.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 15. Januar 2014

Von Giften und Kochrezepten (Teil III)

Weiterhin im Interview: Lutz Maibach, 39 Jahre, Dozent für Pharmazie aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil II des Interviews gestern)

Trotzdem kann man das ja wohl schwerlich mit einer Vergiftung vergleichen. Haben Sie so etwas schon einmal am eigenen Leib erlebt?

Das habe ich in der Tat. Nach meiner ersten Verabredung mit Marie - die noch dazu in der Realität ein erheblich unsanfteres Ende fand als in meiner, zugegebenermaßen recht idealistischen, Vorstellung – hatte ich tatsächlich eine Fischvergiftung in einer besonders schweren Form. Meine Kollegen in der Fakultät amüsieren sich noch heute königlich über diese Ironie des Schicksals.

Das kann ich mir vorstellen. Wie konnte ausgerechnet Ihnen als Fachmann so etwas passieren?

Nun ja, auch ein Gift-Experte kann den Garnelen, die er im Restaurant zubereitet zu sich nimmt, nicht unbedingt ansehen, dass sie eine gewisse Gefahr in sich bergen. Auch am Geschmack war keinerlei Abweichung zu bemerken. Außerdem befand ich mich damals beim Italiener meines Vertrauens... Dass sich dort in der Lieferung ausgerechnet eine geringe Anzahl fehlerhafte Tiere eingeschlichen hatten, konnte niemand ahnen. Glücklicherweise auch der Inhaber, der seit langem ein guter Freund von mir ist, nicht. Anderenfalls hätte man ihm vermutlich den gastronomischen Betrieb geschlossen.

Eine letzte Frage: Gibt es irgendetwas in ihrem Leben, das sie wirklich bereut haben?

Da gibt es in der Tat etwas. Bitte lachen Sie nicht, wenn ich Ihnen das jetzt gestehe. Seit einigen Jahren bereue ich zutiefst, dass ich mit achtzehn die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge nicht erworben habe. Damals war ich der irrigen Meinung, dass das ja sicher noch einige Zeit aufzuschieben sei. Doch in jüngster Zeit ist die Hemmschwelle diesbezüglich für mich immer größer geworden, so dass ich mit beinahe vierzig Jahren keinen Führerschein besitze. Und das kommt nicht nur beim weiblichen Geschlecht nicht besonders gut an.

Denken Sie, dass Sie den Führerschein noch machen werden?

Ehrlich gesagt habe ich mich in meinem Leben ohne Automobil inzwischen recht gut eingerichtet, so dass es durchaus im Bereich des Möglichen sein könnte, dass ich führerscheinlos das Zeitliche segnen werde...

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Herr Maibach.

Dienstag, 14. Januar 2014

Von Giften und Kochrezepten (Teil II)

Weiterhin im Interview: Lutz Maibach, 39 Jahre, Dozent für Pharmazie aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil I des Interviews gestern)

Sie sind auch ein leidenschaftlicher Koch. Wie sieht es denn da mit Experimenten und entsprechend Geschädigten aus?

Bei der Herstellung von Speisen bin ich eher weniger experimentierfreudig. Da halte ich mich in erster Linie an die Rezepte, die mir meine Tante Sophia in meiner Jugend zuteil werden ließ. Deshalb bin ich auch ausschließlich in der Zubereitung italienischer Gerichte firm. Die allerdings beherrsche ich fast ohne Ausnahme sozusagen im Schlaf.

Also hat noch nie jemand Schaden erlitten?

Mit einer Ausnahme. Als ich für Marie zum ersten Mal ein Menü zubereitet habe, habe ich vor Aufregung das Salz mit dem Zucker verwechselt und das Vitello Tonnato unverzeihlicherweise gesüßt. Im Gegenzug hatte ich unglücklicherweise auch die Mascarponecreme, die ich zum Dessert vorbereitet hatte, vorher gesalzen. Ich war derart durcheinander, dass ich während des gesamten Kochvorgangs konsequent die Behältnisse vertauscht habe. Äußerst peinlich.

Und? Hat sie Ihnen verziehen?

Mein Glück war tatsächlich, dass Marie von italienischen Gerichten nicht so besonders viel Ahnung hatte. Sie hatte vorher noch nie ein Vitello Tonnato zu sich genommen und fand es ungenießbar, hatte aber nicht den Mut, das zu sagen. Und zwar weil sie davon ausging, dass es genau so schmecken sollte. Und da sie kein Wort darüber verlor, erwähnte auch ich es nicht. Erst Wochen später gestanden wir uns schließlich, dass wir beide nur äußerst schwer den Brechreiz unterdrücken konnten.

Fortsetzung folgt...

Montag, 13. Januar 2014

Von Giften und Kochrezepten (Teil I)

Heute im Interview: Lutz Maibach, 39 Jahre, Dozent für Pharmazie aus München und Nebenfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“

Herr Maibach, wie kommt es, dass Sie sich innerhalb Ihres Fachbereichs so sehr für Gifte interessieren? Kriminelle Ambitionen?

Ich denke durchaus nicht, dass ich über eine irgendwie geartete kriminelle Energie verfüge. Im Gegenteil. Wenn ich ausnahmsweise einmal die Möglichkeit habe, einen Kriminalfilm im Fernsehen zu konsumieren, stehe ich eher auf der Seite des Rechts statt auf der Gegenseite.

Und woher dann diese offensichtliche Vorliebe für Gifte und alles, was damit zusammenhängt?

Dieses Interesse begleitet mich schon seit der ersten Seminararbeit, die ich während meines Studiums zu dieser umfangreichen Thematik anzufertigen hatte. Das Faszinierende daran ist, dass diese Stoffe, die zugegebenermaßen in höchst unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten, je nach Anwendungsgebiet und Dosierung variable Wirkungen hervorrufen können. Gifte sind also ein weites Feld, um mit Fontane zu sprechen.

Sie müssen demnach niemals befürchten, dass Ihnen die Forschungsthemen ausgehen?

Sie sagen es. Das ist auch der Grund, warum ich fest vorhabe, mich in meinem wohlverdienten Ruhestand nicht mehr nur theoretisch sondern dann auch praktisch mit der vielfältigen Wirkungsweise von Giften zu befassen.

Also doch kriminelle Energie?

Selbstverständlich nicht. Ich verfüge bei mir zu Hause über ein eigenes Labor, in dem ich beabsichtige, die verschiedensten noch nie versuchten Experimente durchzuführen. Dabei wird, so Gott will, niemand an Leib und Leben Schaden erleiden...

Fortsetzung folgt...

Freitag, 10. Januar 2014

Von Zahlen und Menschen (Teil III)

Weiterhin im Interview: Marie Hartmann, 35 Jahre, Informatikerin aus München und Hauptfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil II des Interviews gestern)

Wie konnte sich dann das Verhältnis zu Ihren Eltern verbessern? Warum war es überhaupt schlecht?

In diesem Zusammenhang kann man wirklich von „auseinander gelebt“ sprechen. Das war eine Art Teufelskreis. Wir hatten immer weniger Kontakt. Dadurch wurden unsere Gespräche immer schwieriger, so dass wir noch weniger Kontakt wollten. Allerdings hing unsere erneute Annäherung nicht nur mit meinen Selbstmordplänen zusammen...

Und welche Gründe spielten sonst noch eine Rolle?

Darüber möchte ich nicht sprechen.

Kein Problem. Kommen wir zu einem anderen Thema. Wann waren oder sind Sie stolz auf sich?

Das erste Mal, an das ich mich erinnern kann, war, als ich mit meinem Fotoapparat endlich ein paar gelungene Bilder gemacht hatte.

Wie alt waren Sie da?

Zehn Jahre. Die erste Kamera hatte ich zu meinem zehnten Geburtstag bekommen.

Und heute?

Heute bin ich stolz darauf, dass ich es aus eigener Kraft geschafft habe, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Auch wenn ich mehr indirekt als direkt einen neuen Weg für mich gefunden habe, so war es doch mein eigener Erfolg, mich auf das einzulassen, was plötzlich auf mich zukam.

Ist Ihnen das schwer gefallen?

Was denken Sie? Ich bin Sternzeichen Jungfrau! Bei mir muss immer alles nach Plan und möglichst geordnet laufen. Dass ich mein durchorganisiertes Konzept vom perfekten Selbstmord nicht bis zum bitteren Ende durchgezogen habe, war wahrscheinlich die größte Leistung meines Lebens. Und die wichtigste...

Ich danke Ihnen für dieses Gespräch, Frau Hartmann.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Von Zahlen und Menschen (Teil II)

Weiterhin im Interview: Marie Hartmann, 35 Jahre, Informatikerin aus München und Hauptfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“ (Teil I des Interviews gestern)

Frau Hartmann, dass ich mit Ihnen heute dieses Interview führen kann, zeigt mir, dass die Planungen für Ihren Selbstmord noch nicht abgeschlossen sind, oder?

Doch. Die sind ganz und gar abgeschlossen. Mir sind da eher so ein paar unvorhergesehene Dinge dazwischen gekommen...

Sind diese „Dinge“ etwa dafür verantwortlich, dass Sie Ihre Skepsis den Menschen gegenüber jetzt abgelegt haben?

Sagen wir mal so, das Gefühl, im Leben nichts mehr zu verlieren zu haben, hat vermutlich meinen Umgang mit anderen verändert. Und - wie das eben so ist – der Umgang der anderen mit mir veränderte sich ebenfalls. Wie man in den Wald hineinruft...

Sprechen Sie gerade von den Herren der Schöpfung oder eher von Ihren Arbeitskollegen?

Die Veränderung meiner Einstellung wirkte sich in allen möglichen Lebensbereichen aus. Zum Beispiel verbesserte sich auch das Verhältnis zu meinen Eltern wieder. Aber das hört sich jetzt alles so einfach an. Ganz so leicht war es natürlich nicht, aus der Zahlenwelt wieder zu den Menschen zu finden. Habe ich das nicht poetisch ausgedrückt? Dabei ist Poesie ja nicht gerade meine Stärke...

Offensichtlich sind die Veränderungen ihrer Person weitreichender als Sie dachten, oder?

Im Hinblick auf die Poesie halte ich das jetzt wirklich für extrem übertrieben. Auch wenn ich in der letzten Zeit sicher eine gewisse Entwicklung durchgemacht habe, bleiben doch die Zahlen meine größte Begabung. Und daran wird sich auch nichts ändern.

Sie haben vorhin Ihre Eltern erwähnt. Die müssen doch sehr glücklich gewesen sein, dass Sie den Plan vom Selbstmord nicht in die Tat umgesetzt haben.

Denken Sie wirklich, ich hätte denen davon erzählt? Sind Sie wahnsinnig? Was glauben Sie, was da los gewesen wäre... Meine Mutter wäre wahrscheinlich vor Sorge nicht mehr von meiner Seite gewichen. Und mein Vater hätte mir alles, was auch nur im Entferntesten zum Umbringen getaugt hätte, rigoros weggenommen. Da hätte ich keine Chance gehabt.

Fortsetzung folgt...

Mittwoch, 8. Januar 2014

Von Zahlen und Menschen (Teil I)

Heute im Interview: Marie Hartmann, 35 Jahre, Informatikerin aus München und Hauptfigur des Romans „Dann gute Nacht, Marie!“

Frau Hartmann, was hat Sie damals bewogen, einen Beruf zu ergreifen bzw. ein Studium zu beginnen, das mit einem Frauenanteil von damals unter 15 Prozent eine typische Männerdomäne war... und bis heute ist?

Gute Frage. Ich glaube, ich habe mich schon in meiner Schulzeit in der Welt der Zahlen am wohlsten gefühlt. Während Menschen oft ganz anders reagieren als man es erwartet, kann man in der Informatik keine bösen Überraschungen erleben. Immer stimmt das natürlich auch nicht, aber jede Abweichung ist doch mit mathematischen Mitteln erklärbar. Die Informatik ist im wahrsten Sinn des Wortes komplett „berechenbar“. Das kam mir immer sehr gelegen. Vielleicht bin ich ja in diesem Punkt eher „männlich“ veranlagt.

Kann man also sagen, dass Ihnen Menschen ab und zu nicht so ganz geheuer sind?

Vor meinem 35. Geburtstag hätte ich diese Frage, ohne zu zögern, mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich mit meinem Kater Kasimir sehr zurückgezogen und privat wenig Kontakt zur Außenwelt gepflegt. Meine Erfahrungen am Arbeitsplatz mit intriganten Kollegen und einem schwierigen Vorgesetzten haben ihren Teil dazu beigetragen.

Also hatten Sie das Gefühl, mit Ihrem Kater besser zurechtzukommen als mit den Menschen in Ihrer Umgebung?

Definitiv. Und das will was heißen. Schließlich ist eine Katze nicht gerade das berechenbarste Haustier auf Gottes Erdboden.

Hat sich dieses Gefühl durch Ihren 35. Geburtstag verändert? Numerisch ist das doch kein besonderer Einschnitt. Was ist passiert?

Für mich hatte das Alter 35 schon immer eine große Bedeutung. Wenn ich mir überlegt habe, was ich im Leben erreichen möchte, habe ich das meiste mit Mitte dreißig abgeschlossen gesehen. Wir reden hier natürlich nicht über Beruf oder Karriere. Aber „Mann finden“, „Haus bauen“, „Kinder kriegen“ hatte ich bis 35 ganz klar angepeilt. Interessanterweise fiel mir erst am Geburtstag so richtig auf, dass nichts davon eingetreten war.

Diese Erkenntnis war wahrscheinlich ziemlich deprimierend, wenn Sie sich so lange an diese Ziele geklammert hatten, oder?

Einerseits ja. Denn von jetzt auf gleich wurde mir klar, dass mein Leben einen ganz anderen Verlauf genommen hatte als ich es mir immer gewünscht hatte. Andererseits setzte diese Erkenntnis auch eine ungeahnte Energie in mir frei. Sie brachte mich dazu, mein Leben auf keinen Fall so fortsetzen zu wollen wie es zu diesem Zeitpunkt war.

Also haben Sie sich schleunigst einen Mann gesucht, ein Haus gebaut und Kinder bekommen?

Nein, im Gegenteil. Ich habe angefangen, meinen Selbstmord zu planen.

Fortsetzung folgt...

Dienstag, 7. Januar 2014

Vom Rück- und Ausblick

Herzlich willkommen im Jahr 2014 und bei einem Ausblick auf das, was es uns blogtechnisch hier bieten wird! In den vergangenen Monaten habe ich an dieser Stelle ja eher über die Hintergründe des Zusammenlebens mit meinen Romanfiguren berichtet. Es ging um Männer und Frauen, Vergangenes und Zukünftiges, Inneres und Äußeres, Vor- und Nachteile, Mit- und Gegeneinander, Gut und Böse, Familie und Freunde, Schöpfer und Geschöpfe, Beziehungen und Entwicklungen, Ehemalige und Neue, Vor- und Nachnamen, Henne und Ei. Wer 2014 etwas mehr Zeit haben sollte als 2013, kann das alles auch jederzeit wieder oder ganz neu entdecken und nachlesen.
Somit ist der Rahmen also ausführlich abgesteckt worden. Wir alle wissen, was wir uns unter der fiktionalen Wohngemeinschaft vorstellen können, welche Chancen und Probleme sie mit sich bringt und wie in ihr (zusammen)gelebt wird. Dann kann es ja jetzt ans Eingemachte gehen! Und wir können uns endlich den innersten Vorgängen meiner Romanfiguren widmen. Den Charakterzügen, Wünschen, Träumen und Traumata, die in keinem Roman vorkommen. Die vielleicht erahnt werden, jedoch niemals so deutlich zur Sprache kommen können wie hier.
Damit sich die Protagonisten dabei nicht verstecken oder unangenehme Details zurückhalten, werden sie in Einzel-Interviews in die Zange genommen, bei denen sie keiner Frage ausweichen können. Diese Interviews werden selbstverständlich unverändert und ungekürzt abgedruckt, so dass jeder Leser einen umfassenden Eindruck der befragten Person bekommen kann. Und sogar der kleinsten Nebenfigur kann es dabei passieren, ins Visier des Interviewers zu geraten.
Bald geht’s los! Viel Spaß beim Entdecken vielleicht ungeahnter Facetten!