Mit
dem Alter von Hauptfiguren ist es so eine Sache. Glaubt man Experten aus der
Buchbranche, so identifizieren sich Leser sehr häufig am ehesten mit
Protagonisten ihres Alters. In der Kinder- und Jugendliteratur ist es in jedem
Fall so. Bücher für Kinder ab zehn Jahre handeln meistens von Kindern in etwa
diesem Alter. Geschichten für Jugendliche funktionieren dann natürlich nach einem ähnlichen Prinzip.
Das
stellt kein großes Problem dar und ist vermutlich auch logisch. Da Kinder noch
einen begrenzten Horizont und Erfahrungsschatz haben, können sie Sachverhalte
am besten verstehen und nachvollziehen, die ihrer eigenen Lebenswirklichkeit
entsprechen. Wir Autoren schreiben also ganz einfach Bücher über Zehnjährige
für Zehnjährige und fertig. Die Problematiken und Themen richten sich also
folgerichtig nach der Zielgruppe, die wir ansprechen wollen.
In
der Erwachsenenwelt sieht es angeblich etwas anders aus. Hier sind
offensichtlich Geschichten über junge und Erwachsene mittleren Alters besonders
beliebt. Angeblich auch bei einer deutlich älteren Zielgruppe. Das erinnert
mich an eine Verlagssitzung, der ich vor vielen Jahren als Praktikantin
beiwohnen durfte. Damals hatte ich ein Manuskript über eine flotte Seniorin
testgelesen und begutachtet. Die Geschichte war erfrischend und
abwechslungsreich, ganz im Stil der gern verlegten Unterhaltungsliteratur, also
zu empfehlen.
Trotzdem
war die einhellige Meinung der Lektorenriege, dass man ein Buch über eine
ältere Protagonistin nur schlecht verkaufen könne. An dieser Meinung hat sich
wohl bis heute nicht viel geändert. Immer noch werden viel mehr Bücher über
junge Menschen und ihre Erlebnisse verlegt als über ältere. Obwohl es doch
bestimmt nicht wenig Leser unter den Senioren gibt.
Wonach
richtet sich also das Alter einer Hauptfigur? Nach der Zielgruppe, nach dem
Massengeschmack oder vielleicht doch nach der Thematik der Geschichte?
Unterschiedliche Handlungen können nicht unbedingt von jeder Altersgruppe
erlebt werden. Das Thema „Rente“ wird man wohl kaum einem Zwanzigjährigen
andichten können und das Thema „erste Liebe“ eher selten einem Siebzigjährigen.
Das Alter der Hauptfigur sollte sich also auf jedem Fall nach der Problematik
und den Konflikten der Geschichte richten und nicht nur nach den
Marketing-Vorstellungen der Buchbranche.
Die
meisten Hauptfiguren haben vermutlich einen Beruf. Schließlich kommt man ohne
einen solchen nicht besonders weit. Als Schriftsteller könnten wir uns zwar
auch eine ideale Welt ohne Geldverdienen und alles, was damit zusammenhängt,
ausdenken. Doch wenn wir unsere Geschichten auch nur im Entferntesten an die
gegenwärtige Realität anlehnen, kommt unsere Hauptfigur um einen Beruf wohl
kaum herum. Gesetzt den Fall, es handelt sich nicht um ein Kind.
Protagonisten
brauchen also auch Berufe. Vor kurzem las ich, dass viele Autoren ihre Helden
zu Schriftstellern machen. Der Gedanke liegt nahe, denn auf diesem Gebiet kennt
man sich aus. Ob nun erfolgreicher oder gescheiterter Schriftsteller – die
Gedanken und Gefühle der schreibenden Zunft sind uns Autoren bestens vertraut.
Ganz zu schweigen von deren Möglichkeiten und Zwängen.
Trotzdem
kann man natürlich nicht jede Hauptfigur zum Schriftsteller machen. Der Beruf
eines Protagonisten ergibt sich natürlich nicht in erster Linie aus den
Vorlieben des Verfassers, sondern aus der Geschichte oder dem Charakter der
jeweiligen Figur. Vielleicht kann ein Roman nur in einem ganz bestimmten Milieu
spielen, oder bestimmte Personen der Handlung können aufgrund ihrer Art nur gewisse Berufe
ausüben. Ganz frei wählbar ist die Tätigkeit einer Romanfigur sicherlich nicht.
Manchmal
ist sogar der Beruf der Hauptfigur das erste, was man als Autor von ihr weiß.
Tatsächlich kann es passieren, dass sich die Idee für eine Geschichte aus einer
ganz bestimmten Betätigung ergibt. Das einfachste Beispiel hierfür ist mit
Sicherheit der Krimi, der natürlich auf jeden Fall einen oder mehrere
Kommissare erfordert, oder wenigstens einen Polizisten, Detektiv oder
ähnliches. Da hat man als Autor meistens kaum eine Wahl.
Die
Berufe unserer Romanfiguren können sich aber auch durchaus als Problem
erweisen. Kennen wir uns nämlich in ihnen nicht aus, müssen wir recherchieren.
Und das kann bei Professionen, die einige Jahre irgendwie gearteter Ausbildung
erfordern, ein hartes Stück Arbeit bedeuten. Aber schließlich hat niemand
behauptet, dass das Schreiben von Büchern ein Kinderspiel wäre…