Dienstag, 24. Juni 2014

Welche bekannte Literaturfigur ist Dir besonders unsympathisch und warum?

Okay, das ist schon etwas einfacher als die Frage nach der Sympathie. Dachte ich zumindest. Bösewichte, Gegenspieler und Antagonisten gibt es in der Literatur ja genug. Die meisten Nazis in Geschichten über das „Dritte Reich“ sind mir definitiv unsympathisch. Weil sie, der Aussage dieser Werke entsprechend, auch nur so dargestellt werden. Sämtliche Bösewichte bei „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ können einem doch nur unsympathisch sein, oder?
Aber wäre eine solche Antwort wirklich das, was diese Frage interessant macht? Ist es nicht viel spannender, einmal darüber nachzudenken, ob es auch Protagonisten gibt, die uns, obwohl wir die Welt über mehrere hundert Seiten aus ihrer Sicht sehen, trotzdem nie sympathisch werden? Bücherhelden, die wir zwar lange und vielleicht auch immer wieder begleiten, aber dennoch nicht mögen. Und auch nach mehrmaligem Lesen nie mögen werden.
Was mich betrifft, gibt es solche Literaturfiguren durchaus. Und ziemlich schnell fällt mir auch ein Paradebeispiel ein. Jean-Baptiste Grenouille, der Held aus Patrick Süskinds „Das Parfum“. Der Roman ist mit „die Geschichte eines Mörders“ untertitelt. Kein Wunder also, dass einem diese Hauptperson nicht wirklich sympathisch wird. Wer mag schon einen Mörder?
Doch ganz so einfach ist es nicht. Auch wenn kein einziges Menschenleben auf Grenouilles Konto gehen würde, wäre er mir, glaube ich, ziemlich unsympathisch. Seine geniale Riechfähigkeit hat derart manische Züge, dass sie einem Angst macht. Und sein Verhalten ist so autistisch, dass man ihm auch ohne Mordlust am liebsten nie begegnen möchte. Zumindest geht es mir so.
Sein Streben nach sozialer Isolation macht ihn auch nicht gerade sympathisch. Ebensowenig wie seine überdurchschnittliche Schmerzunempfindlichkeit. Menschen sind für Grenouille lediglich Duftträger und keine Lebewesen – auch keine besonders liebenswerte Einstellung, wie ich meine. Wodurch er so geworden ist, sei dahingestellt. Aber auch wenn ich seine Herkunft und Entwicklung mit in Betracht ziehe, wird mir dieser Protagonist deswegen kein bißchen sympathischer. So leid es mir tut.
Mein Kandidat für den Posten eines besonders unsympathischen Bücherhelden: Jean-Baptiste Grenouille. Und Deiner?

Donnerstag, 5. Juni 2014

Welche bekannte Literaturfigur ist Dir besonders sympathisch und warum?

Diese Frage zu beantworten, war für mich schwerer als gedacht. Natürlich, viele Protagonisten aus allen Epochen der Literaturgeschichte kann man in ihren Charaktereigenschaften oder auch Handlungsweisen sehr gut verstehen – schließlich hat sie ein Autor in mühevoller Arbeit entsprechend konzipiert. Aber sind sie einem deshalb sympathisch? Viele Bücherhelden wachsen einem im Laufe mehrerer hundert Seiten oder sogar einiger Bände tatsächlich ans Herz. Aber sind sie einem dadurch dann auch sympathisch?
Bei meinen Mitmenschen bilde ich mir ein solches Urteil gerne mal ziemlich schnell. Sympathisch oder unsympathisch – ab in die entsprechende Schublade. Warum nur fällt mir das bei Literaturfiguren derart schwer? Vielleicht weil ich beim Lesen in relativ kurzer Zeit viel mehr über ihr Innenleben erfahre als bei einer realen Bekanntschaft. Der Protagonist eines Buches kann mich schon auf den ersten Seiten intime Details aus seinem Leben wissen lassen, die ich bei den Menschen in meinem Umfeld erst viel später oder sogar nie erfahre. Und die mich bei meiner Sympathiezuweisung eventuell nachhaltig beeinflussen können.
Zurück zur Ausgangsfrage: Zunächst fielen mir allerlei Figuren ein, die unbedingt aus ihrer engen Welt ausbrechen wollen. Emma Bovary, Effi Briest, der Junge aus „Sansibar oder der letzte Grund“. Aber irgendwie kann ich nicht sagen, ob das Sympathie ist, was ich für sie hege, oder nicht vielleicht doch eher Verständnis beziehungsweise sogar Mitleid. Und einige Protagonisten, die ein besonders schlimmes Schicksal erleiden, sind mir, wie ich feststellte, deswegen noch lange nicht sympathisch. Gar nicht so einfach.
Beim Stöbern in meinem Bücherregal habe ich schließlich aber doch jemanden gefunden, der mir, wie ich glaube, richtig sympathisch ist. Und schon immer war. Jakob der Lügner. Im Klappentext des Buches wird er als Held „ganz anderer Art“ bezeichnet. So etwas mag ich. Jakobs Kreativität und Risikobereitschaft beim Erfinden immer neuer Geschichten macht ihn mir sympathisch. Und natürlich die Tatsache, dass er das nur tut, um anderen Hoffnung zu machen.
Ohne dass er es will, gerät Jakob immer tiefer hinein in das Schlamassel, das er sich selbst eingebrockt hat. Und er kann und will es nicht beenden, um seine Mitmenschen nicht zu entmutigen. Ein Held, der nicht immer alles vollkommen im Griff hat, ist mir persönlich viel angenehmer als alle Supermänner oder –weiber der Literaturgeschichte.
Mein Kandidat für den Posten eines besonders sympathischen Bücherhelden: Jakob der Lügner. Und Deiner?