Mittwoch, 27. August 2014

Welche bekannte Literaturfigur hätte deiner Meinung nach nicht so früh sterben dürfen und warum?

Natürlich ist es oft müßig, darüber zu spekulieren, was passiert wäre, wenn etwas anderes nicht oder doch passiert wäre. Im realen Leben zumindest führen solche Gedanken meistens zu nichts. Was Romanfiguren betrifft, kann man aber durchaus ab und zu darüber nachdenken, ob die eine oder andere Geschichte auch in eine etwas andere Richtung hätte gehen können. Selbstverständlich hätte sie dann vielleicht eine völlig neue Aussage, aber auch das birgt ja eventuell einige Möglichkeiten.
Eine Romanfigur, die zwar erst am Ende des Buches, aber doch in ihrem Leben ziemlich früh stirbt ist Oskar aus Eric-Emmanuel Schmitts „Oskar und die Dame in Rosa“. Er ist nämlich erst zehn Jahre und unheilbar an Krebs erkrankt. Manch anderer Autor hätte Oskar vielleicht am Ende des Romans durch ein Wunder eine Heilung beschert oder ihm zumindest noch einige Zeit Aufschub gewährt. Doch darum geht es ihn diesem Roman nicht. Hier geht es um den Umgang mit dem Tod und deshalb muss der am Ende auch unweigerlich kommen.
Trotzdem hätte es meiner Meinung nach Gründe gegeben, den kleinen Oskar etwas später sterben zu lassen. Erstens wäre dann die Geschichte etwas länger, denn das könnte sie durchaus vertragen. Und zweitens ließe uns dann dieser Protagonist ausführlicher an seinen Gedanken, Gefühlen und Ängsten teilhaben.
Oskar lernt in den letzten Tagen seines Lebens so einiges über das Dasein und über die Menschen. Und wie Kinder eben so sind, formuliert er diese Erfahrungen sehr eindeutig. Da er während des Buches ein ganzes Menschenleben sozusagen in Zeitraffer durchläuft, können seine Erlebnisse und die Schlüsse, die er daraus zieht, Lesern jeden Alters etwas sagen.
Davon hätte es durchaus noch etwas mehr geben können. Denn Lebenserfahrung kann man nie genug haben und aus der Sicht eines zehnjährigen Jungen klingt sie nicht ganz so schwer wie bei so manchem Erwachsenen.
Mein Kandidat für den Posten eines zu früh gestorbenen Bücherhelden: Oskar. Und Deiner?

Freitag, 22. August 2014

Welche bekannte Literaturfigur hätte deiner Meinung nach viel früher sterben sollen und warum?

Das ist natürlich eine etwas heikle Frage. Natürlich gehört es sich nicht, jemandem einen frühen Tod zu wünschen. Zumindest nicht öffentlich. Aber bei einer Literaturfigur kann man schon mal eine Ausnahme machen. Schließlich kann die ja nichts davon mitbekommen. Und der Autor, der die Figur geschaffen hat, kann so etwas ja nur als Kompliment auffassen. Schließlich ist ihm da offensichtlich eine äußerst unangenehme Person gelungen.
Martin Suter ist, wie ich finde, in seinem Roman „Lila, Lila“ eine solche Figur gelungen. Ich meine Jacky Stocker, den selbsternannten Agenten des unfreiwilligen Autors David Kern. Denn er schafft es, sich innerhalb kürzester Zeit in Davids Leben einzuschleichen. Im 28. Kapitel steht: „Seit ihrer ersten Begegnung war er praktisch an jedem Tag aufgetaucht, an dem David nicht auf Lesereise war.“ Er ist also aufdringlich, ja geradezu penetrant, was allein schon ziemlich unangenehme Eigenschaften sind.
Doch dann geht Jacky Stocker noch weiter. Er setzt David mit seinem Wissen über das gefundene Manuskript unter Druck. Er will „an unserem gemeinsamen Erfolg teilhaben“. Und dabei spricht er von finanziellen Zuwendungen. Von jetzt an läßt er sich von David aushalten, gibt sich als sein Agent aus und belastet seine Beziehung zu Marie. Jacky Stocker gibt sich nicht damit zufrieden, regelmäßig Geld zu bekommen. Nein, er will immer mehr. Mehr Einfluss, mehr Erfolg, mehr Macht über David.
Während des gesamten Romans habe ich immer wieder gedacht, dass dieser Mann nur verschwinden müsste, und David alle seine Probleme los wäre. Natürlich stimmt das nicht ganz. Schließlich ist David trotzdem nicht der, für den er sich ausgibt. Aber er würde es nicht tagtäglich so schmerzhaft spüren. Und vielleicht würde es sogar nie jemand erfahren. Und vielleicht hätte seine Beziehung zu Marie dann auch gehalten…
Wer weiß es? Martin Suter eventuell. Aber vielleicht nicht einmal der. Jacky Stocker stirbt im Buch tatsächlich, aber da ist die Geschichte schon so verfahren, dass ein Happy End für David nicht mehr möglich ist. Zumindest keins, bei dem alles nach Wunsch verläuft. Vermutlich wäre die Geschichte mit Jackys früherem Tod lange nicht so spannend geworden. Aber man kann ja trotzdem mal drüber nachdenken.
Mein Kandidat für den Posten eines zu spät gestorbenen Bücherhelden: Jacky Stocker. Und Deiner?

Dienstag, 19. August 2014

Vom Shitstorm und Eurer Meinung

Bis jetzt habe hier nur ich meine Meinung zu dieser oder jener Literaturfigur geschrieben. Ich gebe zu, das fällt einem nicht immer leicht. Denn erstens kommen einem die Protagonisten, zu denen man etwas zu sagen hat, nicht unbedingt sofort in den Sinn. Und zweitens weiß man beim Schreiben ja nicht, wie die Blog-Leser das finden, was man da von sich gibt. Natürlich hätte ich gern Zustimmung, aber ist das andererseits wirklich interessant?
Interessant wäre zu erfahren, was Ihr über diese oder jene Literaturfigur denkt. Ob Ihr nachvollziehen könnt, dass ich den einen nicht mag und den anderen besonders. Dass ich mir so manchen Protagonisten auf den Mond bzw. ins hinterste Eck des Bücherschranks wünsche. Und dass ich auch schon einige kennengelernt habe, die ich am liebsten überhaupt nicht mehr gehen lassen und immer weiter begleiten würde.
Sicher hat dabei jeder andere Sympathien. Und sicher wäre es interessant, ein wenig darüber zu diskutieren, warum diese oder jene Literaturfigur verstanden wird oder eben nicht, gemocht wird oder eben nicht. Als Autorin ist es für mich nicht unwichtig, einen Eindruck davon zu bekommen, wie fiktionale Figuren auf die Leser wirken und was sie mit ihren Eigenschaften und Handlungen für Reaktionen auslösen können.
Es wäre wirklich spannend, wenn in diesem Blog nicht nur darüber geschrieben würde, welche Meinung ich zu den verschiedensten Literaturfiguren habe, sondern auch darüber, was Ihr dazu sagt. Dabei muss man ja nicht unbedingt sofort wissen, welchen Protagonisten man selbst zu einer Frage favorisieren würde. Aber vielleicht seid Ihr mit meiner Wahl so überhaupt nicht einverstanden oder könnt sie gar nicht nachvollziehen. Dann würde mich (und vielleicht andere Leser) das auch sehr interessieren.
Also tut Euch keinen Zwang an! Entfesselt den ersten (glaube ich zumindest) Shitstorm gegen eine fiktionale Figur oder überhäuft sie mit Sympathiebekundungen. Sie kann weder großartig darunter leiden noch vor Übermut abheben. Es ist also völlig ungefährlich und folgenlos, sich hier über angenehme oder unangenehme Protagonisten auszulassen.
Nun ja, nicht ganz folgenlos, weil dieses Blog ganz erheblich an Qualität gewinnen würde, wenn Eure Meinung ein Teil davon wäre.

Eure Susanne

Freitag, 15. August 2014

Welche bekannte Literaturfigur hat dich besonders genervt und warum?

Vielleicht ist das ein bißchen unfair, was ich jetzt schreibe, aber andererseits hat jeder Leser das Recht, sich seine eigene Meinung über diesen oder jenen Bücherhelden zu bilden. Und nach allem, was ich über Johann Wolfgang Goethe, den Autoren, und sein Leben weiß, hätte er mir zu einem späteren Zeitpunkt seines Schaffens vermutlich sogar zugestimmt.
Nun aber zu ihm, einem aus heutiger Sicht etwas nervigen Protagonisten der Literaturgeschichte, dem Werther aus Goethes „Die Leiden des jungen Werther“. Natürlich muss man dem allseits bekannten Romanhelden zugute halten, dass dieses Werk im Jahr 1774 entstand und dass man zu dieser Zeit äußerst überschwängliche und pathetische Texte schrieb. Mit einem eher zeitgenössischen Literaturgeschmack ist dieser Geschichte wahrscheinlich im 21. Jahrhundert nicht mehr so leicht beizukommen.
Aber abgesehen von der sehr schwülstigen und geradezu übersteigerten Ausdrucksweise, ist Werthers Art so von Selbstmitleid und Realitätsverlust geprägt, dass es mir ab und zu dann doch zu viel wurde. Am liebsten möchte man ihm auf jeder zweiten Seite zurufen: „Reiß dich zusammen. Du bist nur unglücklich verliebt. Das passiert jedem mal. Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Sei froh, dass du keine schlimmeren Probleme hast.“
Sätze wie „Adieu! Ich sehe dieses Elendes kein Ende als das Grab“ oder „Gott im Himmel, hast du das zum Schicksale der Menschen gemacht, daß sie nicht glücklich sind, als ehe sie zu ihrem Verstande kommen und wenn sie ihn wieder verlieren“ klingen für einen, der schlichtweg von einer umschwärmten Frau abgewiesen wurde, doch etwas übertrieben.
Im Laufe des Romans steigert sich Werther immer mehr in dieses Gefühl hinein, dass es für ihn keine Rettung gibt und dass er sich für Lotte opfern müsse. „Sein Sie ein Mann“ sagt diese Lotte irgendwann zu ihm. Damit macht sie es sich natürlich auch ein bißchen leicht. Aber hätte er nicht tatsächlich wenigstens versuchen können, sie zu vergessen und eine andere zu finden? Stattdessen bemitleidet er sich selbst und vergräbt sich bis zum kompletten Realitätsverlust in seiner Melancholie, was gegen Ende des Romans dann doch ab und zu ein wenig nervt, wie ich finde.
Mein Kandidat für den Posten eines besonders nervigen Bücherhelden: Werther. Und Deiner?

Mittwoch, 6. August 2014

Welche bekannte Literaturfigur bewunderst du besonders und warum?

Die Romanfigur, die mir zu diesem Thema einfällt, ist eigentlich vielmehr eine Art Märchenfigur und von daher nicht wirklich realistischen Kriterien unterworfen. Doch da es hier ausschließlich um fiktionale und damit frei erfundene Figuren gehen soll, kann man sich dabei ruhig auch mal mit im wahrsten Sinn des Wortes „phantastischen“ Protagonisten beschäftigen.
Eine besonders bewundernswerte Literaturfigur ist für mich Momo aus dem gleichnamigen Roman von Michael Ende. Wie kaum jemand anderes schafft sie es, ihren eigenen Werten treu zu bleiben, obwohl sie dabei auf eine ziemlich harte Probe gestellt wird. Ihre Haupteigenschaften sind Geduld, Selbstlosigkeit, Individualität und Phantasie. Sie kann besonders gut zuhören und trösten, kleidet sich nur mit Dingen, die sie findet oder geschenkt bekommt. Äußerlichkeiten sind ihr demnach nicht wichtig.
Als die grauen Herren kommen und das Leben von Momos Freunden immer mehr beherrschen, beweist das Kind ein hohes Maß an Intuition und starkem Willen. Und vor allem den Mut, sich gegen die gefährlichen Zeitdiebe zur Wehr zu setzen. Momo läßt sich nicht, wie alle anderen, von den grauen Herren und ihrer Philosophie unter Druck setzen. Und auch als sie ganz allein ist, weil sich jeder von ihr abgewendet hat, überwindet sie trotzdem ihre Ängste, um ihre Freunde zu retten.
Momo ist die einzige in diesem Roman, die sich während der gesamten Geschichte so gut wie nicht verändert. Ihr Charakter und ihre Werte sind so stark, dass sie sich von nichts und niemandem davon abbringen läßt. Manchmal wäre ich auch gerne so stark und so mutig. Würde mir auch wünschen, dass ich mich nicht unterkriegen lasse von dem Zeit- und Leistungsdruck, der ab und zu auf mir lastet. Aber vielleicht reicht es ja, sich immer mal die kleine Momo vor Augen zu führen, um sich wieder ein wenig von ihrer mutigen, willensstarken Art in das eigene Leben zu holen.
Meine Kandidatin für den Posten eines besonders bewundernswerten Bücherhelden: Momo. Und Deiner?