Mittwoch, 21. Oktober 2015

Aus dem Leben eines Schreibenichts (8)

Zum Problem des ersten Satzes gibt es noch mehr zu bedenken. Wie lange wartet man zum Beispiel als Schreibenichts darauf, ob er von allein kommt oder ob man ihn zunächst einmal improvisieren muss? Einen guten ersten Satz kann man nicht erzwingen. Aber er muss so viel beinhalten, dass man ihn auf keinen Fall unterschätzen sollte. Er muss außergewöhnlich und prägnant sein. Er darf nicht zu viel sagen und auch nicht zu wenig. Meiner Meinung nach sollte er nicht zu lang sein. Er sollte neugierig machen und inhaltlich etwas mit dem Thema der Geschichte zu tun haben.
Ein bisschen viel für etwas, das man ausgerechnet als erstes formulieren muss, wenn man mit dem Schreiben anfängt. Praktischer wäre es, wenn ein Roman so wie eine Diplomarbeit mit einer unbedeutenden Einleitung beginnen würde. Einer Einleitung, bei der man noch nicht wirklich in die Tiefe geht, sondern erst einmal allgemein und oberflächlich zum Thema hinführt - ähnlich wie das Aufwärmen beim Sport.
Der erste Satz eines Romans darf kein „Aufwärm-Satz“ sein, keine Dehn- oder Lockerungsübung. Im Gegenteil, im besten Fall ist er gleich zu Beginn des Spiels ein Tor. Der Leser sollte idealerweise sofort gefesselt sein und wissen wollen, wie es weitergeht. Dazu reicht ein Satz natürlich nicht. Aber er bildet den Anfang. Ohne Anfang geht es auch nicht weiter.
Ich habe einmal gehört, dass Lektoren von einem neuen Manuskript gerne mal nur die erste Seite lesen. Angeblich kann man dann schon sagen, ob der Text etwas hergibt oder nicht. Und vermutlich machen es viele Leser in der Buchhandlung ebenso. Wer hat schon Zeit, beim Einkauf schnell mal ein ganzes Kapitel in Augenschein zu nehmen?
Das Problem des ersten Satzes wird uns Schriftsteller immer begleiten. Ohne ihn geht es leider nicht. Gelingt er aber gut, so erleichtert er uns auch so einiges - und zwar nicht nur eventuell den Verkauf des fertigen Buches, sondern auch schon dessen Fertigstellung. Mit dem ersten Satz geben wir uns auch selbst vor, in welche Richtung unser Schreiben gehen soll. Es lohnt sich also, über den ersten Satz etwas länger nachzudenken…

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Aus dem Leben eines Schreibenichts (7)

Der erste Satz ist der wichtigste. Allerdings wahrscheinlich auch der schwierigste. Der erste Satz eines Textes, vor allem eines Romans, ist ähnlich bedeutend wie der Titel. Klingt komisch, ist aber so. Die Entscheidung, ein Buch im Laden in die Hand zu nehmen, trifft der potentielle Leser meistens aufgrund von Cover und Titel. Doch wenn er es erst einmal in der Hand hat, muss ihn der Anfang des Textes überzeugen. Findet er den ersten Satz langweilig, zu durchschaubar oder stilistisch nicht ansprechend, so wird er niemals weiterlesen und in Erwägung ziehen, das Buch zu kaufen.
Die Bedeutung des ersten Satzes macht das Schreiben nicht gerade einfacher. Schließlich beginnt man in den meisten Fällen mit dem Anfang der Geschichte. Natürlich kann man den ersten Satz während der Entstehung des Romans jederzeit wieder ändern. Und auch nach Vollendung des Textes hindert den Schriftsteller niemand daran, an der Formulierung zu feilen oder sogar etwas ganz anderes zu schreiben.
Trotzdem geht es mir so, dass ich den ersten Satz gerne schon am Anfang so schreibe, wie ich ihn später auch lassen möchte. Und tatsächlich sind die ersten Sätze meiner Romane und Geschichten jedes Mal bis zum Schluss so geblieben, wie ich sie zu Beginn meiner Arbeit formuliert habe. Das allerdings macht die Hemmschwelle vor dem Start des Schreibens nicht gerade kleiner. Die Tatsache, dass der erste Satz am besten gleich sitzen sollte, bringt mich dazu, die Arbeit an einem neuen Text erst einmal vor mir her zu schieben.
Manchmal weiß ich den ersten Satz sofort. Manchmal geht er mir schon einige Tage im Kopf herum, bis ich mich entschließe, ihn so zu lassen und aufzuschreiben. Bei meinem ersten Roman hatte ich zu Beginn nichts als den ersten Satz. Und daraus ergab sich die ganze Geschichte. Wenn er sich allerdings nicht automatisch ergibt oder aufdrängt, wird es schwieriger. Denn wie recherchiert man eigentlich den ersten Satz?
Fortsetzung folgt…

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Aus dem Leben eines Schreibenichts (6)

Schreiben oder nicht schreiben – das ist hier die Frage! Zumindest so lange man als Schriftsteller noch nicht an einem neuen Projekt arbeitet. Ideen hat man immer wieder, auch in Zeiten des Nicht-Schreibens. Doch diese Ideen in die Tat umzusetzen, kostet dann doch einiges an Überwindung, so komisch das auch klingen mag.
Je länger die Phase des Nicht-Schreibens dauert, desto höher wird die Hemmschwelle, wieder anzufangen. Zu viele Wenns und Abers stehen im Raum, bevor man tatsächlich etwas Neues in Angriff nehmen kann. Da ist zunächst einmal die Angst, dass man das Schreiben durch mangelndes Training irgendwie verlernt hat. Und falls das nicht der Fall ist, dass man es zumindest erst wieder üben muss, bis man die alte Form erreicht hat.
Vermutlich sind nicht alle Schriftsteller so ungeduldig wie ich. Aber ich würde am liebsten alles immer sofort genauso aufschreiben wie es dann im Endeffekt auch bleiben soll. Fingerübungen und Tonleitern vor der Aufführung einer Symphonie scheinen da nur aufzuhalten. Was die Hemmschwelle zu Beginn eines neuen Projektes nicht gerade verkleinert. Im Gegenteil.
Das eine ist also die Angst vor der fehlenden Funktionsfähigkeit des Handwerks, das andere die vor der mangelnden Tragfähigkeit des Stoffes. Wenn ich wieder anfange zu schreiben – und sei es auch nur ein Exposé -, kann es passieren, dass ich früher oder später merke, dass meine Idee nicht so funktioniert wie ich dachte. Oder vielleicht stellt sich heraus, dass die Geschichte zu wenig umfangreich für einen ganzen Roman oder etwas Entsprechendes ist.
Bevor mir das passiert, schiebe ich den Beginn des Schreibens und damit die Erkenntnis, dass das nicht so klappt wie erhofft, lieber noch ein wenig vor mir her. Und denke noch ein paar Tage drüber nach. Allerdings habe ich dann auch erst mal nicht das Erfolgserlebnis, dass es eben doch so funktioniert wie erwartet. Und eventuell sogar noch besser.
Deshalb überwinde ich immer wieder die Hemmschwelle vom Nicht-Schreiben zum Schreiben. Und in den meisten Fällen sogar mit Erfolg…