Donnerstag, 24. Oktober 2013

Von Träumen und ihrer Umsetzung

Vermutlich kennt jeder Mensch den Gedanken daran, was man alles machen würde, wenn dieser oder jener Zwang im eigenen Leben nicht wäre. Ob das nun die Familie, der Job oder auch nur die persönlichen Ängste sind – irgendetwas hindert uns meistens daran, das zu realisieren, was wir uns erträumen oder zumindest vorstellen. Im Roman können wir Schriftsteller all das in die Tat umsetzen, wozu uns im richtigen Leben der Mut oder auch das Geld fehlt.
Unsere Romanfiguren sind diesbezüglich enorm geduldig bzw. flexibel und sozusagen zu allen Schandtaten bereit. Sie bieten uns die Projektionsfläche für das, was das Leben uns nicht bietet. Meine erste Protagonistin Marie war auf diesem Gebiet ein schier unerschöpfliches Medium. Da sie in ihrem Leben bis zum Beginn des Roman sehr viel versäumt und inzwischen auch das Gefühl hatte, nichts mehr verlieren zu können, stürzte sie sich geradezu ins Leben - mit allen seinen Möglichkeiten. Und ich mich mit ihr.
Einmal Klamottenshoppen, ohne auf’s Geld schauen zu müssen. Einfach Urlaub nehmen, ohne auch nur eine Minute über seine Gestaltung nachzudenken. Nicht zur Arbeit gehen, ohne an die Folgen zu denken. Dem Chef die Meinung sagen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Die eigene Wohnung schnell mal umstreichen, ohne darüber nachzudenken, ob man die Farbe auch in ein paar Wochen noch mag. Marie konnte das plötzlich. Ich hätte es vermutlich nie getan.
Natürlich kann man auf dem Papier oder dem Bildschirm noch ganz andere Dinge entstehen lassen. Man kann grausame oder auch raffinierte Morde begehen, ohne dafür belangt zu werden. Man kann sexuelle Phantasien ausleben, ohne sich dafür rechfertigen zu müssen. Man kann die Naturgesetze außer Kraft setzen oder Zukunftsvisionen ins Leben rufen, ohne für verrückt gehalten zu werden.
Aber manchmal muss man gar nicht so weit von der Realiät abweichen, um das Gefühl zu bekommen, etwas Neues geschafft zu haben. Manchmal hat der Gedanke, dass man das, was die Figur erlebt, vielleicht auch einmal erleben könnte, etwas viel Erfüllenderes. Und eventuell setze ich das eine oder andere ja dann doch einmal in die Tat um. Wenn’s bei Marie geklappt hat...

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