Mittwoch, 23. Juli 2014

Welche bekannte Literaturfigur kannst du besonders gut verstehen und warum?

Dass man als Leser die in einem Buch handelnden Figuren verstehen kann, ist sicher das Bestreben eines jeden Autors. Sind Verhaltensweisen überhaupt nicht nachvollziehbar, so wird die Geschichte vermutlich nur wenige begeistern. Wichtig für das Verständnis ist dabei, dass sich die Protagonisten so geben, wie es für ihren Charakter, ihr Wesen und die Umstände ihres Lebens glaubwürdig ist. Gelingt einem Schriftsteller dies, so kann der Leser seine Figuren und ihr Verhalten nachvollziehen.
Auf die Frage nach einem Protagonisten, dessen Dilemma besonders gut zu verstehen ist, können einem sicher so einige Literaturfiguren einfallen. Beim Durchforsten meines Bücherregals blieb ich bei Jane Austens „Verstand und Gefühl“ hängen. Elinor Dashwood repräsentiert in diesem Roman den im Titel beschworenen „Verstand“ und tut sich dabei nicht gerade leicht. Auch ihre Schwester Marianne hat mit ihrem Part, dem „Gefühl“, einige Probleme. Doch da sie das, was in ihr vorgeht, meist offen äußert, kommt es bei ihr zu deutlich weniger Mißverständnissen.
Elinor dagegen behält ihre Gefühle und Sorgen ausschließlich für sich. Sie vertraut sich ihrer Familie nicht an, so dass sie mit ihren Problemen allein fertig werden muss und alles von den Schwierigkeiten der Schwester überlagert wird. Und da sie sich auch dem Mann gegenüber, den sie liebt, so gar nichts anmerken läßt, entstehen zwischen den beiden immer wieder Mißverständnisse, die sie nicht zusammenkommen lassen.
Den Wunsch, eine Fassade aufrechtzuerhalten und sein Inneres auf keinen Fall zu zeigen, kann man, wie ich finde, in der heutigen Zeit besser denn je verstehen. Da jede Schwäche meist gnadenlos ausgenutzt wird, haben die meisten den Drang, möglichst wenig davon zuzugeben. Die Angst verletzt zu werden und angreifbar zu sein, ist vermutlich noch stärker als früher. Wer könnte also Elinor nicht verstehen, die bei jedem Versuch sich zu offenbaren von den kleinsten Widrigkeiten zurückgehalten und so sogar beinahe um ihr Lebensglück gebracht wird?
Aber vielleicht gibt es ja auch heute noch Menschen, die Mariannes Weg der absoluten Offenheit und Impulsivität gehen und nicht vor jedem Schritt lange darüber nachdenken, was er eventuell für Folgen haben könnte. Sie kann Elinors Verhalten zu keinem Zeitpunkt verstehen und so mancher Leser wahrscheinlich auch nicht. Jane Austen entwarf eben für jeden Geschmack einen nachvollziehbaren Charakter.
Meine Kandidatin für den Posten eines gut zu verstehenden Bücherhelden: Elinor Dashwood. Und Deiner?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen