Mittwoch, 5. August 2015

Aus dem Leben eines Schreibenichts (3)

Nicht nur die alten Bekannten, die bereits existierenden Protagonisten können einen Schriftsteller nerven, wenn er gerade nicht an einem Werk arbeitet. Auch neue, noch nicht geschaffene Figuren spuken uns Autoren gerne im Kopf herum. Schließlich stellt sich immer wieder mal ein neuer Mitbewohner in meiner fiktionalen Wohngemeinschaft vor.
Was aber macht man als Autor, wenn man gerade keinen Sinn für Romane oder Geschichten hat und trotzdem die Idee einer Figur sozusagen an der Tür klingelt? Das Problem dabei ist, dass der Einzug eines neuen Protagonisten in der WG leider keine Sache von ein paar Stunden ist, sondern eine ausführliche Figurenkonzeption nach sich ziehen müsste, wenn er Sinn machen soll.
Natürlich kann man den ungebetenen Besucher einfach vor der Tür stehen lassen und nicht in die Wohnung bitten. Dann besteht allerdings die Gefahr, dass er entweder immer wieder klingelt und einen trotzdem nicht in Ruhe lässt oder dass er sich nie mehr meldet. In diesem Fall hätte man eine eventuell interessante Romanfigur leichtfertig abgewiesen und bei Bedarf dann auch nicht mehr zur Verfügung.
Also lieber ein wenig mit dem neuen Mitbewohner beschäftigt als zu schnell auf den neuen Kontakt verzichtet? Wahrscheinlich hängt der passende Umgang mit ungeladenen Gästen einfach von der konkreten Situation ab. Manchmal kann man sich einfach nicht länger mit neuen Romanfiguren abgeben, weil man zu viel anderes im Kopf hat. Doch sollte man sich als Schriftsteller dessen bewusst sein, dass die Idee einer Figur auch schnell wieder vergessen ist, wenn man sie nicht konsequent verfolgt.
Natürlich kann man einwenden, dass die guten und wirklich spannenden Protagonisten sich nicht so schnell abweisen lassen und sowieso immer wieder anklopfen. Und das so lange bis sie endlich in die Tat umgesetzt werden und ihre Geschichte erzählt wird. Doch wenn ich darüber nachdenke, wie viele Ideen ich in meiner Autorenlaufbahn schon hatte und aus mangelnder Zeit oder Muße nicht verfolgt und somit wieder vergessen habe, komme ich zu dem Schluss, dass sich eine kurze Auseinandersetzung mit einer neuen Figur eben auch in Phasen des Nicht-Schreibens durchaus lohnen kann. Zu sehr sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der potentiell neue Mitbewohner die Geduld beweist, einem so lange auf die Nerven zu gehen bis man sich gnädig herablässt, ihn in die fiktionale Wohngemeinschaft aufzunehmen.   

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