Sonntag, 29. November 2015

Von der perfekten Hauptfigur und ihren Eigenschaften (2)

Welche Charaktereigenschaften hat die perfekte Hauptfigur? Das ist natürlich in dieser allgemeinen Form nicht zu beantworten. Immerhin gibt es die „guten“ und die „bösen“ Protagonisten, von denen sicher weder die einen noch die anderen die besseren Romanfiguren sind. Doch genau da ist man als Schriftsteller an einem Punkt, wo man durchaus allgemeine Aussagen über die charakterliche Perfektion einer Figur treffen kann.
Zumindest ich glaube, dass es eine paar Eckdaten gibt, die einen gut konzeptionierten Protagonisten ausmachen. Und da kommt die Gut-Böse-Einteilung ins Spiel. Kein echter Mensch ist ausschließlich gut oder nur böse. Deshalb sollte auch eine realistisch entworfene Romanfigur nie nur das eine oder lediglich das andere sein. Die perfekte Figur ist also, meiner Meinung nach, beides.
Dabei geht es auch um den Begriff „Ambivalenz“. Eine Figur, die zu eindimensional daherkommt, wird für jeden Leser sehr schnell langweilig. Bei einem solchen Protagonisten weiß man nach kürzester Zeit, wie er tickt, und infolgedessen auch, wie er auf bestimmte Situationen reagieren wird. Eine eindimensionale Figur hält für den Leser demnach keinerlei Überraschungen bereit.
Ist ein Protagonist jedoch ambivalent, so kann er sich auch einmal untypisch oder unerwartet verhalten. Das bringt nicht nur Überraschungen für den Leser, sondern auch ungeahnte Möglichkeiten für den Autor mit sich. Die Geschichte wird interessanter und vielfältiger. Trotzdem darf natürlich die Logik des Charakters nicht vollkommen verloren gehen. Die Motivationen der Figuren müssen realistisch bleiben, wenn die Vorgänge in der Geschichte glaubwürdig und damit nachvollziehbar sein sollen.
Schwarz-Weiß-Malerei ist also, meiner Meinung nach, nicht der richtige Weg bei der Konzeption von Literaturfiguren. Je vielschichtiger ein Charakter desto realistischer und interessanter ist er. Das ist mit Sicherheit nichts Neues, doch wir Schriftsteller können es uns beim Entwurf unserer Protagonisten nicht oft genug ins Gedächtnis rufen…

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