Dienstag, 10. September 2013

Von den Mitbewohnern und ihrer Präsenz

Eine Wohngemeinschaft hat bekanntermaßen nicht nur Vorteile. Kann man als WG-Bewohner durchaus von den diversen Fähigkeiten und Besitztümern der anderen profitieren, so möchte man manchmal auch einfach seine Ruhe haben. Als allein lebender macht man in so einem Fall lediglich seine Wohnungstür hinter sich zu, reagiert nicht auf die Klingel und geht unter keinen Umständen an’s Telefon. Fertig. In einer Wohngemeinschaft jedoch kann man schlecht seinen Mitbewohnern verbieten, das Bad oder die Küche zu benutzen, wenn man es selber gerne tun würde. Oder ihnen untersagen, an die Zimmertür zu klopfen, wenn sich Fragen bezüglich gemeinsamer Angelegenheiten ergeben.
Ähnlich ist es auch mit der fiktionalen Wohngemeinschaft. Habe ich nach einem eventuell langwierigen Auswahlverfahren eine neue Figur darin aufgenommen, dann ist sie da und bleibt auch erst einmal da. Ob ich will oder nicht. Schon morgens beim Aufstehen winkt sie aufdringlich vom Laptop herüber, so dass ein gemütliches Frühstück nahezu unmöglich ist. Also wird schon vor der ersten Nahrungsaufnahme ein wenig geschrieben. Ich will ja nicht unsozial sein.
Gerade in der Zeit, in der ich die wichtigsten Figuren eines Romans konzipiere, gehen sie mir meistens den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Sie begleiten mich nicht nur bei meiner Schreib- bzw. Entwurfstätigkeit am Computer, sondern gerne auch mal zum Bäcker, in den Drogeriemarkt oder in’s Fitnessstudio. Wenn ich mit meinem Fahrrad an der Isar entlang radle, beschäftigen mich meine Romanfiguren in der Konzeptionsphase eigentlich ununterbrochen.
Die WG und ihre Mitbewohner werden in dieser Zeit sozusagen zum Fulltime-Job, was Vor- und Nachteile hat. Positiv daran ist, dass einem auf diese Weise ständig neue Ideen und Facetten zu den Personen, ihren Eigenschaften und Erlebnissen einfallen können. Vieles, was einem im eigenen Leben begegnet, wird zu der Figur in Beziehung gesetzt und ergibt so eventuell einen neuen Impuls für die Geschichte. Der Nachteil dabei ist, dass es so etwas wie „Türe-zu-und-einfach-nicht-reagieren“ im Grunde selten geben kann.
Um im Bild zu bleiben: die Mitbewohner nerven manchmal und zwar gehörig. Die Verschnaufpause vom Konzipieren gibt es in dieser Phase der Romanarbeit manchmal nur, wenn man sich dazu zwingt. Und das zu tun, wäre eigentlich ziemlich ungeschickt, können einem doch genau in einer Zwangspause schier unzählige gute Einfälle durch die Lappen gehen...

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