Montag, 16. September 2013

Von Nachnamen und ihren Dimensionen

Im Gegensatz zum realen Leben, wo man als Eltern nur einen Vornamen für das Neugeborene festlegen kann, bin ich als Schriftstellerin auch in der Lage, die Nachnamen meiner WG-Mitbewohner völlig frei zu wählen. Das eröffnet zwar unzählige Möglichkeiten, bringt aber auch einige Schwierigkeiten mit sich. Zumindest fällt es mir persönlich immer ziemlich schwer, einen passenden Familiennamen für eine neue Figur zu finden.
Das hängt vermutlich damit zusammen, dass man im Alltag häufiger mit Vor- als mit Nachnamen zu tun hat. Von vielen Menschen, die man kennenlernt, bekommt man heuzutage nur noch ersteren genannt. Ob das die Freunde der Freunde auf der Party, die Trainingskollegen im Fitnessstudio oder so manche Arbeitskollegen sind. Man duzt sich sofort und braucht dafür ja lediglich einen Vornamen. Dagegen ist ja auch im Prinzip nichts einzuwenden. Doch bei der Suche des Nachnamens für eine Romanfigur erschwert es eben einfach die Lage.
Kann ich bei Vornamen gedanklich sämtliche Menschen in meinem Bekanntenkreis durchgehen, so wird das bei den Familiennamen schwierig. Nun gut, für manche Protagonisten eignen sich auch weniger ausgefallene wie „Huber“, „Schmidt“ oder „Müller“ ganz gut. Aber manchmal soll es dann eben doch etwas Besonderes sein. Schließlich wird eine Romanfigur auch durch ihren Nachnamen irgendwie charakterisiert. Ist er extrem häufig oder ziemlich exotisch, nordischen Ursprungs oder typisch bayerisch oder vielleicht ausländisch. All das gibt der Figur ein gewisses Format, sagt etwas über ihre Herkunft oder die Herkunft ihrer Vorfahren aus.
Manche Autoren geben ihren Romanfiguren sogenannte „sprechende Namen“. Besonders bekannt sind hier Max Frischs Gottlieb Biedermann oder sein Walter Faber. Friedrich Schiller nannte in „Kabale und Liebe“ den dümmlichen Hofmarschall „von Kalb“ und den schleimigen Sekretär „Wurm“. Und auch heute noch erfreuen sich solche Wortspiele größter Beliebtheit. So gibt es zum Beispiel in „Harry Potter“ den strengen Lehrer Severus Snape und einen ambivalenten Widersacher mit dem vielsagenden Namen Sirius Black.
Im Genre des „heiteren Frauenromans“, in dem ich gegenwärtig mein Unwesen treibe, sind derartige Namensgebungen eher selten. Trotzdem hieß meine erste Hauptfigur Marie Hartmann, was ziemlich gut zu ihrem nüchternen Wesen und ihrer emotionslosen Art passte. In diesem Fall habe ich jedoch nicht besonders lange überlegt, gesucht oder konstruiert, sondern bin eher einer spontanen Eingebung gefolgt. Dass die von meiner Vorstellung der Figur begünstigt war, läßt sich allerdings nicht ganz ausschließen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen