Donnerstag, 21. November 2013

Von den Neuen und ihren Problemen

Zieht ein neuer Mitbewohner in die fiktionale Wohngemeinschaft ein, dann muss man sich erst einmal aneinander gewöhnen. Im Gegensatz zu einer realen WG ist das für den Neuen deutlich einfacher als für den Autor. Schließlich hat eine Romanfigur wenig Chancen, sich einen anderen Autor oder Roman auszusuchen. Sie muss bleiben, wo sie hingeraten ist – ob sie will oder nicht.
Der Autor dagegen überlegt sich oft lange, ob dieser oder jener Protagonist als Haupt- oder Nebenfigur für seine Geschichte geeignet sein könnte. Nicht selten wechselt die Figur dabei immer wieder den Namen, den Beruf, die Familie oder die Herkunft. Manchmal kann es Monate dauern bis ein Protagonist die Gestalt angenommen hat, an die sich der Autor gewöhnen oder vielleicht sogar mit ihr anfreunden kann.
Meine erste Heldin Marie hatte in meiner Phantasie sehr schnell Gestalt angenommen, war sozusagen schon bei ihrem Einzug mehr oder weniger fix und fertig. Meine zweite Heldin Emma dagegen machte da schon mehr Probleme. Im Laufe ihrer Entwicklung wurde sie von der Anwältin zur Krankenschwester, dann zur Kindergärtnerin und schließlich zur Schneiderin. Und auch ihr Charakter wandelte sich natürlich entsprechend.
Eine Romanfigur kann dagegen nichts machen. Sie muss über sich ergehen lassen, was der Autor alles mit ihr anstellt. Ein Schriftsteller jedoch hat manchmal seine liebe Not mit seinen Proagonisten bis sie sich dann endlich so präsentieren wie sie für die Geschichte brauchbar sind.
Natürlich bin ich froh, dass ich mein Leben nicht in absoluter Abhängigkeit fristen muss wie meine Romanfiguren. Trotzdem hätte ich ab und zu auch mal Lust, mein Schicksal einfach in die Hände eines Autoren geben zu können, damit er mir ein wunderschönes Happy End bastelt. Schade, dass man nicht mal für eine gewisse Zeit die Rollen tauschen und die Vorteile der anderen Seite genießen kann...

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